Wer weniger verdient, soll von der Ökosteuer profitieren
Die Arbeiten an der geplanten ökologischen Steuerreform haben begonnen. Internationale Beispiele zeigen, wie ein Bonus für Haushalte und Unternehmen aussehen könnte.
Ab dem ersten Quartal 2022 wird es in Österreich, ähnlich wie schon in Deutschland, der Schweiz und Schweden, eine CO2-Abgabe geben. Die Steuerreformexperten der türkis-grünen Koalitionsregierung haben sich am Dienstag erstmals getroffen und werden nun ein Mal wöchentlich verhandeln, dazwischen tagen Untergruppen.
Ein zentrales Thema ist die Höhe des CO2-Einstiegspreises. In Deutschland wird bereits über eine weitere Anhebung des aktuellen Preises von 25 Euro pro Tonne diskutiert, die Schweiz hält bei 90 Euro.
Noch heikler ist die Frage, wie die Refundierung der Kosten aussehen soll: Einerseits soll die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe nicht gefährdet werden. Andererseits soll die Last auf Haushalte sozial verträglich verteilt werden. Einkommensschwache Haushalte könnten vom Ökobonus sogar profitieren, wie internationale Beispiele zeigen. Je mehr Menschen den Rückverteilungsvorteil sehen, desto größer sei die Akzeptanz einer Ökosteuer, sagen Experten. Die Leitplanken zur Abgabe soll eine Novelle des Klimaschutzgesetzes liefern.
WIEN. Die Aufregung über eine automatische Erhöhung der Mineralölsteuer, sollte Österreich seine Klimaziele verfehlen, war ein Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Monaten auf die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler zukommen könnte. Denn seit dieser Woche arbeitet ihr Ressort nicht nur am umstrittenen Klimaschutzgesetz, sondern verhandelt mit dem türkisen Koalitionspartner auch über die vereinbarte „ökosoziale“Steuerreform. Mit der soll – unter anderem – im ersten Quartal 2022 eine Abgabe auf Treibhausgasemissionen eingeführt werden.
Der CO2-Preis sorge dafür, dass „klimaschädliches Verhalten“bestraft werde und klimafreundliches belohnt, hat Gewessler unzählige Male erklärt. Mit den dadurch ausgelösten Lenkungseffekten soll es gelingen, bis 2030 doch noch die EU-Klimaziele zu erreichen und bis 2040 klimaneutral zu werden. In der Praxis wird die Ökoabgabe vor allem Fahren, Fliegen und Heizen mit Öl und Gas verteuern sowie Produkte auf Erdölbasis. Offen ist, ob und in welcher Form besonders betroffene Betriebe und Verbraucher entlastet und soziale Aspekte berücksichtigt werden.
Im Gegenzug zu Klimasteuern nur die Einkommensteuer zu senken werde nicht reichen, sagt Karl Steininger, Leiter des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Uni Graz. Das hätten nicht zuletzt die Gelbwestenproteste in Frankreich deutlich gemacht. Um eine CO2-Bepreisung (vulgo: Ökosteuer) akzeptabel zu machen, müsse es einen Bonus geben, also eine erkennbare Refundierung, wie internationale Beispiele zeigten, erklärt der Professor für Klimaökonomik.
Die Schweiz hebe seit 2008 eine schrittweise erhöhte CO2-Abgabe ein – aktuell rund 90 Euro je Tonne CO2 –, die zu zwei Dritteln zurück an Unternehmen und Haushalte gehe (ein Drittel dient für Investitionen). Wobei besonders niedrige Einkommen stärker profitieren. Im kanadischen British Columbia werde ein Mal im Jahr ein Klimasteuerbonus gutgeschrieben beziehungsweise an Haushalte, die keine Steuern bezahlten, überwiesen.
Die ärmsten zwanzig Prozent der Haushalte verursachen in Österreich pro Kopf nur knapp halb so viele Emissionen wie die reichsten 20 Prozent. Sie sind von CO2-Abgaben in der Regel verhältnismäßig stärker betroffen. Sie würden auch überdurchschnittlich von einer Refundierung profitieren, hat Steininger errechnet.
Das ökosoziale Momentum-Institut hat den Effekt im Fall einer Erhöhung der Mineralölsteuer errechnet. Die Ökonomen kommen zu dem Schluss, dass auch die einkommensschwächsten Haushalte unterschiedlich betroffen wären, weil nur die Hälfte ein Auto besitzt. Von einem Bonus würden aber 70 Prozent profitieren.
Je mehr Menschen einen „Rückverteilungsvorteil“haben, desto stärker sei die Zustimmung zu einer CO2-Abgabe, sagt Steininger. Weil sie nur den sehen würden und nicht den Lenkungseffekt. Verstärken ließe sich der Effekt durch Änderungen beim Pendlerpauschale, wenn es „verkehrsmittelneutral“wäre.
Den Weg für die neue Ökosteuer soll die Novelle des Klimaschutzgesetzes bereiten. Es soll bis Sommer in Begutachtung gehen und erstmals Konsequenzen vorsehen, wenn die Vorgaben nicht eingehalten werden. Das geltende Klimagesetz war vollkommen zahnlos.
Laut einem an die Öffentlichkeit gespielten Entwurf sieht das neue Gesetz einen Zukunftsinvestitionsfonds vor, in den Bund und Länder einzahlen, wenn die Klimaziele in einzelnen Sektoren überschritten werden. Die Rede ist von 100 Euro je Tonne Kohlenstoffdioxid zu viel – zu 60 Prozent vom Bund, zu 40 Prozent von den Ländern. Weiters sollen ein wissenschaftlicher Beirat und das Klimakabinett bei drohender Verfehlung der jährlichen Ziele Maßnahmen vorlegen, die binnen drei Monaten umzusetzen sind. Und als Ultima Ratio würden Steuern auf fossile Energieträger um 50 Prozent erhöht. „Wir müssen uns auch überlegen, was wir tun, wenn wir die Ziele nicht erreichen“, hatte Gewessler in der „Pressestunde“erklärt. Sie gehe davon aus, dass der „Mechanismus als letzte Maßnahme einer Kaskade“gar nicht schlagend wird, weil „wir werden die Klimaziele erreichen“.