An der Front gegen die Gewalt
Eine Polizistin arbeitet mit geschlagenen Frauen und weggewiesenen Männern. Sie erzählt über ihre Erfahrungen mit Opfern und Tätern – und warum die Kinder fast immer mittendrin stehen.
Eine Polizistin arbeitet mit geschlagenen Frauen und weggewiesenen Männern. Sie erzählt über ihre Erfahrungen mit Opfern und Tätern.
WIEN. Petra Macho ist eine von 500 Polizistinnen und Polizisten in ganz Österreich, die in der Gewaltprävention arbeiten. Sie redet in ihrem Rayon in Wien-Penzing sowohl mit den Opfern wie auch mit Tätern. Seit 27 Jahren arbeitet Frau Macho im Polizeidienst, seit fünf Jahren ist sie zur Stelle, wenn es um häusliche Gewalt, Streitschlichtung oder Stalking geht. Die Beamtin spricht von einem oft jahrelangen Martyrium der Opfer, bevor es zu einer Anzeige kommt. Und selbst dann sind es oft nicht die Frauen selbst, die die Exekutive alarmieren, sondern Nachbarn, Ohrenzeugen oder die eigenen Kinder.
„Ich versuche, Vertrauen aufzubauen. Es ist viel Einfühlungsvermögen notwendig“, sagt die Gruppeninspektorin. Ihre Klientel seien häufig Ausländer aus bestimmten Kulturkreisen, weil in ihrem Rayon deren Anteil sehr hoch sei. Generell ist Gewalt an Frauen aber kein Problem der Nationalität, sondern kommt in allen Gesellschaftsschichten vor.
„Es geht oft um Eifersucht und Kontrolle. Gekränkter Stolz und Ehre sind ganz wichtige Punkte. Diese Männer sehen Frauen als ihr Eigentum. Die Opfer sind finanziell abhängig, sprechen nicht Deutsch und halten sich nur in der Wohnung auf“, beschreibt die Gewaltpräventionsbeamtin eine typische „Klientenfamilie“. Nachsatz: „Oft sperrt der Täter die Frau sogar in der Wohnung ein und kontrolliert sie über sein Handy.“
Zumeist hätten diese Familien viele Kinder. Die Frauen seien nur im eigenen Familienkreis, in Österreich aber nicht angebunden und vollkommen abhängig. „Die Frau hat Angst – vor dem Alleinsein, weil sie sonst niemanden hat. Die einzige Zuflucht für sie ist das Frauenhaus. Und sie hat Angst, dass das Jugendamt ihr die Kinder wegnimmt“, schildert Frau Macho die Lage. Sie versuche immer wieder, mit dem Opfer zu reden – zum Teil unter Mithilfe von Freundinnen, die übersetzen, zum Teil auf der Polizeidienststelle mit einem Dolmetscher.
Parallel dazu beschäftigt sich die 46-Jährige auch mit dem Täter. Die sind in ihrer Gegenwart meistens wie die Lämmer – „freundlich, lieb, streichelweich; sie streiten meistens alles ab, auch wenn sie seit Jahren Gewalt geübt haben“. Petra Macho spricht von vielen Wiederholungstätern, mit denen sie immer wieder im Kontakt steht. Bei einer Familie seien beispielsweise binnen fünf Jahren bereits zehn Betretungsverbote ausgesprochen worden. „Ich habe Fälle, die ich sehr lange betreue. Ich habe auch keine Scheu, mir einen Täter zwei oder drei Mal hintereinander zu holen“, sagt die Polizistin.
Fast immer involviert in die Gewaltszenerie sind die Kinder. „Es kommt leider sehr oft vor, dass die Kinder mittendrin stehen, wenn der Papa die Mama schlägt. In vielen Fällen werden die Kinder vom Gefährder nicht geschlagen – die Gewalt zentriert sich auf die Frau“, berichtet Macho aus der Praxis. Ihre Aufgabe sieht sie darin, während der 14-tägigen Wegweisung des Täters möglichst viele Informationen über die Familie zu sammeln.
Wie lang sich die Gewaltspirale bereits dreht? Ob das Opfer der Beziehung noch eine Chance geben möchte oder eine Scheidung im Raum steht? Vor Ort schaut sich die 46-Jährige zuallererst die Haustür und das Schloss an, um festzustellen, wie leicht ein Täter wieder eindringen könnte. Bei sehr vielen Fällen häuslicher Gewalt, wenn Opfer und Täter zusammenwohnten, verhänge die Exekutive ein Betretungsverbot. „In der Regel halten sich die Gewalttäter daran. Es wird von der Polizei auch kontrolliert“, so Macho.
Die Gruppeninspektorin vernetzt die Opfer zudem mit Interventionsstellen, dem Jugendamt, stellt Kontakt her zur Staatsanwaltschaft und Richtern am Bezirksgericht. Je nach Gefährdungseinschätzung werden Maßnahmen verhängt. Warum dennoch die Gewalt immer wieder so eskaliert, dass es allein heuer schon neun Morde an Frauen gab? „Man kann in die Täter nicht reinschauen.“Was sie in ihrer Arbeit glücklich macht? „Für mich ist es ein Erfolgserlebnis, wenn man die Dankbarkeit der Frauen sieht. Weil sie so erleichtert sind, dass sie Hilfe bekommen“, sagt Petra Macho.