Ein Land der Äcker, aber nicht der Apps
„Stopp Corona“oder „Kaufhaus Österreich“: In der Pandemie zeigt sich, wie schlecht es hierzulande um Digitalprojekte steht.
Als die „Stopp Corona“-App im März 2020 veröffentlicht wurde, waren die Erwartungen groß: Die Anwendung war als eine der tragenden Säulen im Kampf gegen die Pandemie angepriesen worden. Sie könnte die Ausbreitung des Virus in Grenzen halten, propagierten die Urheber. 13 Monate später gestehen selbst die Initiatoren um das Rote Kreuz ein, dass das Vorhaben die hehren Ziele nicht erreichen konnte. Es könnte gar sein, dass man das drei Millionen Euro schwere Projekt noch heuer in Ruhe sterben lässt.
Dass die „Stopp Corona“-App nie zünden konnte, hat viele Gründe. Etwa, dass man mit einer Erstversion an den Start ging, die nicht ausgereift war. Auch der Vorstoß von Wolfgang Sobotka (ÖVP) war alles andere als hilfreich: Der Nationalratspräsident wollte zur App-Nutzung verpflichten. Mit der Folge, dass sich nicht nur gegen den Zwang, sondern das gesamte Projekt eine breite Gegnerschaft aufbaute.
Das Scheitern der App steht jedoch für mehr als mangelhaftes Fingerspitzengefühl von Politikern. Es zeigt, wie schlecht es in Österreich um Digitalprojekte steht. Vor allem um solche, die von öffentlicher Hand angeschoben werden. Ein weiteres Beispiel ist das krachend gescheiterte „Kaufhaus Österreich“.
Woran liegt es, dass derartige Projekte hierzulande selten zünden – in der Schweiz, Skandinavien oder den USA aber sehr wohl? Ein Grund ist eine historisch gewachsene Technologieskepsis. Bei Digitalinitiativen wird zunächst einmal das Schlechte gesehen. So lang, bis das Projekt das Gegenteil beweist. Nur dann ist es oft schon zu spät. Auch die an sich lobenswerten, aber besonders rigide ausgelegten Datenschutzauflagen machen technologische Innovationen nicht einfacher. Zudem fehlt ein offener Fluss zwischen Hochschulen und Wirtschaft. Dem Ansatz der Stanford University, Start-ups in Campus-Nähe anzusiedeln, ist es zu verdanken, dass das Silicon Valley entstand. Die enge Kooperation der Technischen Hochschule Zürich mit Google ist mit ein Grund, warum der IT-Riese in der Schweiz seinen größten Standort außerhalb der USA aufgezogen hat.
Nicht zuletzt haben hierzulande viele nicht verstanden, dass ein Digitalisierungsprozess Gräben zuschütten und nicht schaffen sollte. Bei einer Erhebung 2020 gaben rund 820.000 Österreicher an, „Offliner“zu sein. Diese müssen bei einer Digitalisierungsoffensive abgeholt werden – durch Informationskampagnen gekoppelt an analoge Alternativen. Gelingt das, sinkt die Technologieskepsis. Lässt die Politik zudem zusätzliche Mittel in Digitalprojekte fließen – wie diese Woche angekündigt –, sind erste Schritte getan. Der Weg zu einem digitalaffinen Land bleibt dennoch ein weiter. Was man jahrzehntelang verschlafen hat, holt man nicht über Nacht auf.