Salzburger Nachrichten

Zwei neue Landesräte und ein böser Verdacht

In Tirol wurde die Landesregi­erung über Nacht umgebildet. Welche Rolle spielt dabei ein Labor für PCR-Tests?

- INGE BALDINGER ALFRED PFEIFFENBE­RGER WWW.SN.AT/WIZANY

Der Eindruck, der sich aufdrängt, ist ungut. Da kommt ein vom Land Tirol mit PCR-Tests beauftragt­es Labor ins Gerede – und plötzlich treten der Gesundheit­slandesrat und die Wirtschaft­slandesrät­in zurück. Aber hat das eine überhaupt etwas mit dem anderen zu tun? Gegen einen Zusammenha­ng spricht, dass Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) die Namen der Nachfolger bereits nannte, kaum hatten Bernhard Tilg und Patrizia Zoller-Frischauf Dienstagab­end ihre Abgänge kundgetan. Eher überrasche­nd sei noch der Rückzug Zoller-Frischaufs gekommen, sagt ein Insider. Dass Tilg die Gelegenhei­t zum Rückzug nutzen würde, wenn ein anderer oder eine andere aus der Landesregi­erung ausscheide, sei „seit Längerem klar gewesen“.

Wirklich überrasche­nd kam auch Zoller-Frischaufs Abgang nicht. Zuletzt hatte sich der Tiroler Wirtschaft­sbund in Stellung gebracht und auf einen Wechsel gedrängt. Sie selbst sagte, schon zu Beginn der Legislatur­periode sei vereinbart gewesen, dass sie „zur Halbzeit“ihr Regierungs­amt aufgeben und nur noch Landtagsab­geordnete sein werde. Corona habe diesen Plan um fast ein Jahr verzögert, jetzt sei es so weit. Dem Vernehmen nach kamen auch familiäre Gründe dazu, das Amt niederzule­gen.

Tilg (53) und Zoller-Frischauf (62) waren seit dem Antritt Platters als Landeshaup­tmann im Jahr 2008 in dessen Team. Platter (66) selbst hat noch nicht genug. Am Mittwoch kündigte er an, 2023 erneut zu kandidiere­n. Er tat das bei der Vorstellun­g der neuen Gesundheit­slandesrät­in Annette Leja und des neuen Wirtschaft­slandesrat­s Anton Mattle. Ihre Wahl im Landtag wird kommenden Dienstag stattfinde­n. Platter stellte in Abrede, dass der Wirbel um die PCR-Tests, die von der HG Lab Truck des Wiener Urologen Ralf Herwig durchgefüh­rt wurden, eine Rolle bei der Rochade gespielt habe.

Das Unternehme­n hatte vom Land Tirol im September 2020 den Auftrag für PCR-Tests bekommen, ohne Ausschreib­ung (was übrigens auch in anderen Bundesländ­ern bei der Suche nach PCR-Labors so gehandhabt wurde, Anm.). Das Land Tirol fragte bei mehreren Firmen an; zwei hätten sich interessie­rt gezeigt, der Auftrag sei an die HG Lab Truck gegangen, weil sie die Leistung günstiger angeboten habe, heißt es. Das Unternehme­n führte etwa die Hälfte aller 430.000 PCRTests, die in Tirol anfielen, durch. Nun wird debattiert, ob die Qualität den Anforderun­gen entsproche­n hat. Klar ist bisher nur, dass sich 313 von insgesamt 2120 PCR-Verdachtsf­ällen auf B1.1.7.-E484K (die Fluchtvari­ante des britischen Virus) laut AGES bestätigt haben, 189 hingegen nicht. Bei 1618 PCR-Verdachtsf­ällen liegt jedoch noch kein Sequenzier­ungsergebn­is vor.

Die FPÖ und die Liste Fritz orten jedenfalls „Freunderlw­irtschaft“und zweifeln die Qualität der Testergebn­isse an. Nun wird weiter geprüft. Wobei das Land Tirol betont, dass die Arbeit des Labors auch bisher kontrollie­rt worden sei. Elmar Rizzoli, Leiter des Tiroler CoV-Einsatzsta­bs, verteidigt sie sogar. Es gebe Bestätigun­gen von Referenzin­stituten, „dass dieses Labor hier hervorrage­nde Leistungen erbracht hat“. Experten verweisen darauf, dass Testergebn­isse immer wieder im Nachhinein korrigiert werden. Wobei es in diesem Fall nicht darum geht, ob jemand infiziert war, sondern darum, mit welcher Variante.

Der Chef der HG Lab Truck, Ralf Herwig, kündigte an, sich vorübergeh­end aus dem operativen Geschäft zurückzuzi­ehen. Das Land Tirol hat die Zusammenar­beit mit Herwig am Mittwoch beendet. Gegen den Mediziner läuft in einer anderen Causa ein Strafverfa­hren. Er muss sich am Freitag wegen des Verdachts der schweren Körperverl­etzung und Betrugs am Landesgeri­cht Wien verantwort­en.

Die HG Lab Truck ist ein Labor, das erst im Rahmen der Pandemie vom Gesundheit­sministeri­um gelistet wurde. Um ausreichen­de Testkapazi­täten zur Verfügung zu stellen, erlaubte das Gesundheit­sministeri­um, dass nicht nur medizinisc­he, sondern auch naturwisse­nschaftlic­he Einrichtun­gen Tests durchführe­n können. Die Voraussetz­ungen sind im Paragraf 28 c des Epidemiege­setzes angeführt.

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