Ein Mann für alle Fälle
Der 104. Giro d’Italia startet am Samstag in der Autostadt Turin – und hat in der dritten Woche einiges zu bieten. Dann ist hoffentlich der Marchtrenker Felix Großschartner in vielen Rollen dabei.
SALZBURG. Endlich beginnt ein Radklassiker wieder einmal zum geplanten Termin und mit dem geplanten Kurs: der 104. Giro d’Italia startet am kommenden Samstag mit einem Prolog in der italienischen Autohauptstadt Turin und endet drei Wochen,
3479 Kilometer und 47.000 Höhenmeter später im eigentlich nahe gelegenen
Mailand – nur dass halt vorher eine Runde durch Italien auf dem Programm steht.
Da sind heuer nur zwei Österreicher dabei, nämlich Felix Großschartner (bora-hansgrohe) und Matthias Brändle (Israel Cycling), aber Ersterer könnte über Umwege in eine entscheidende Rolle schlüpfen. Denn Großschartner ist ein bisschen die Allzweckwaffe seines bayerischen Profiteams. Er soll zum einen den auf den Gesamtsieg fahrenden Deutschen Emanuel Buchmann unterstützen, im idealen Zeitpunkt
seine Chance auf einen Tagessieg suchen und in der dritten Woche im Gesamtklassement in den Top 10 sein, um Bora eine Doppelspitze zu ermöglichen – das wäre der Plan. Der Marchtrenker hat sich für diese Aufgabe mit einer beeindruckenden Frühform und einem Etappensieg bei der Tour of the Alps empfohlen. Woher kommt die Frühform? „Frühform ist natürlich relativ, da unsere Saison ja schon seit Ende Jänner läuft. Nach Paris–Nizza habe ich eine sechswöchige Rennpause eingelegt, um mich gezielt auf den Giro vorzubereiten, drei Wochen war ich im Höhentraining. Das hat alles sehr gut geklappt, ich bin gesund geblieben und konnte das Training wirklich gut umsetzen. Das hat man dann bei der Tour of the Alps gesehen.“
Dass der Giro auch in diesem Jahr auf Kletterer zugeschnitten ist, das zeigt das Profil – aber nur selten zuvor war die dreiwöchige Rundfahrt so schwierig in Woche drei. „Der Giro ist jedes Jahr schwierig, aber die dritte Woche ist gespickt mit Bergetappen in den Dolomiten. Da darf man sich keine Schwäche leisten. Die Etappen sind in diesem Jahr vielleicht etwas kürzer, das könnte das Rennen animieren. Dann ist da noch eine spezielle Etappe um Siena auf den Schotterstraßen von Strade Bianche, eine interessante Abwechslung.“Im Kampf um den Gesamtsieg sieht auch Großschartner nur einen engen Kreis: „Bernal, Yates und hoffentlich auch Emu (Buchmann; Anm.).“
Dem kolumbianischen Toursieger von 2019, Egan Bernal, müsste dieser Giro eigentlich auf den Leib geschneidert sein, wären da nicht die Rückenprobleme, die ihm im Vorjahr zur Aufgabe bei der Tour de France gezwungen haben. Ein guter Giro könnte auch das Comeback auf der Tour einläuten. Sein wohl größter Herausforderer heißt Simon Yates. Der Brite hat sich mit einer bärenstarken Tour of the Alps samt
Gesamtsieg zum Favoriten gemacht. Was auch für Yates spricht: Er ist reifer geworden, hat an Erfahrung und Konstanz gewonnen. Noch vor drei Jahren erlebte er als Spitzenreiter ein Desaster, als er auf der 19. Etappe einbrach und das rosa Trikot an seinen Landsmann Chris Froome abgeben musste.
Apropos Froome – was ist eigentlich aus dem Dominator der letzten Jahre geworden? Sein Wechsel von Ineos zu Israel Cycling war die Transferbombe des Winters. Dort wollte man ein Team aufbauen, das Froome seinen fünften Toursieg heuer mit bereiten soll. Doch der Brite, der angeblich nach wie vor der bestbezahlte Radprofi überhaupt sein soll, ist meilenweit von seiner alten Form entfernt und lässt den Giro aus.
Italiens Beitrag zum Giro ist Vincenzo Nibali. Der zweimalige Sieger hat sich von einem Handgelenksbruch im April so weit erholt, dass er am Start stehen wird – für ganz vorn wird es eher nicht reichen.