Nach Rüge Van der Bellens liefert Blümel Akten nach
Das Verfassungsgericht fordert den Bundespräsidenten auf, eine Höchstgerichtsentscheidung zu exekutieren. Es geht um verweigerte Aktenlieferungen an den Ibiza-U-Ausschuss.
Dass es in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss heftigen Streit um Aktenlieferungen gibt, ist nicht neu. Dass die höchsten Instanzen der Republik in so einem Streit ein Machtwort sprechen müssen, schon.
Grund dafür sind ausstehende Aktenlieferungen vom Finanzministerium
an den Ibiza-U-Ausschuss. Weil Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) der Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs, bestimmte E-Mail-Korrespondenzen und andere Akten zu liefern, seit zwei Monaten nicht nachgekommen ist, schalteten die Höchstrichter den Bundespräsidenten ein. Sie beantragten am
Donnerstag beim Staatsoberhaupt die Exekution ihrer Entscheidung. Bundespräsident Alexander Van der Bellen könnte demnach laut Verfassung mit der Hilfe von Behörden die Akten aus dem Finanzministerium besorgen. Das wäre ein absolutes Novum in Österreich. Doch Van der Bellen stellte nach der VfGH-Entscheidung in einer kurzen TV-Ansprache unmissverständlich klar, dass er seine „verfassungsmäßigen Pflichten entsprechend“erfüllen werde, sollte Blümel die Akten nicht an das Parlament liefern. Das Finanzministerium will nun die Unterlagen an den U-Ausschuss übermitteln.
Eine verfassungsrechtlich festgeschriebene Kompetenz des Bundespräsidenten, die bislang kaum beachtet wurde, sorgt nun für reichlich Wirbel im Wiener Regierungsviertel. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat am Donnerstag bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Exekution einer seiner Entscheidungen im Finanzministerium beantragt. Hintergrund ist ein Streit über Aktenlieferungen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss: Finanzminister
Gernot Blümel (ÖVP) ist bisher der Aufforderung der Höchstrichter, dem U-Ausschuss bestimmte EMails und Dateien vorzulegen, nicht nachgekommen.
Mit der Entscheidung, dass der Bundespräsident im Auftrag der Höchstrichter vom Finanzminister Akten beschaffen muss, betritt der VfGH absolutes Neuland. „Ich wende mich nun heute an Sie, weil etwas eingetreten ist, das es so noch nie gegeben hat“, sagte Alexander Van der Bellen am Donnerstagnachmittag in einer eilig einberufenen Fernsehansprache.
Doch um was geht es? Am 3. März hat der VfGH nach einem Antrag von SPÖ, FPÖ und Neos entschieden, dass der Finanzminister dem Ibiza-Untersuchungsausschuss Daten und E-Mails vorzulegen hat. Bisher schickte das Finanzministerium diese Akten nicht an den Untersuchungsausschuss, woraufhin die Oppositionparteien mittels eines sogenannten Exekutionsantrags forderten, dass die Höchstrichter mit der Hilfe des Bundespräsidenten die Akten bekommen. Dem hat der VfGH nun zugestimmt. Der Bundespräsident steht es nun frei, sich für eine Vorgangsweise zu entscheiden, wie er die Aktenlieferung durchsetzt. Laut Artikel 146 der
Bundesverfassung könnte er „nach seinem Ermessen“zur Exekution des Erkenntnisses des VfGH Organe des Bundes oder der Länder (also etwa Staatsanwaltschaft oder Polizei) damit beauftragen. Diese Situation mag für viele überraschend kommen – „nicht aber für unsere Bundesverfassung“, sagte Van der Bellen. Diese gebe eine klare Handlungsanweisung vor.
Kurz vor dem Auftritt Van der Bellens zog man im Finanzministerium die Reißleine und ließ per Aussendung ausrichten, dass man die Akten nun liefern werde. „Die VfGH-Entscheidung ist zu akzeptieren und das Bundesministerium für Finanzen wird diesem selbstverständlich unverzüglich und vollumfänglich nachkommen“, hieß in der Stellungnahme. Die Verzögerung begründete man im Finanzressort mit der „Fürsorgepflicht gegenüber den 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“. Daher müsse die Wahrung von Daten- und Persönlichkeitsschutz gewährleistet werden, „da es auch um höchstpersönliche Daten wie etwa Gesundheitsund Krankendaten geht“.
Auch der Bundespräsident berichtete von einem persönlichen Gespräch mit Finanzminister Blümel, in dem dieser laut Bundespräsident versprochen hatte, die Akten zu übermitteln. Wenn er vom UAusschuss die Information bekomme, dass diese vollständig geliefert worden seien, erübrige sich die Exekution. „Sollte das wider Erwarten nicht der Fall sein, werde ich meinen verfassungsmäßigen Pflichten entsprechen“, betonte Van der Bellen. Sprich: Er würde eine Behörde anweisen, die Akten zu holen.
Die Verfassung lege Demokratie und Rechtsstaat als tragende Säulen des Gemeinwesens fest, sagt das Staatsoberhaupt abschließend in Richtung Finanzminister. Sie schreibe die Gewaltenteilung fest und regle, wer im Staat wofür verantwortlich ist. „Sie regelt unser aller Zusammenleben. An diese Regeln haben wir alle uns zu halten.“
Um welche Akten geht es? Die E-Mail-Postfächer der Leiterin des Beteiligungsmanagements im Finanzministerium sowie die Korrespondenzen von Ministeriumsmitarbeitern mit ÖBAG-Chef Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, und anderen Mitarbeitern von Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP).
In den nächsten Tagen beraten übrigens die Höchstrichter auch darüber, ob Kanzler Sebastian Kurz jene E-Mails und Kalendereinträge, die es laut ihm gar nicht mehr gibt, an den Ausschuss liefern muss.
„An diese Regeln haben wir uns alle zu halten.“Alexander Van der Bellen, Bundespräsident „Werden Entscheidung unverzüglich nachkommen.“Stellungnahme aus dem Finanzressort
Eskalieren könnte die Lage auch an einer weiteren Front in der Aufklärung der Ibiza-Affäre. Der UAusschuss startet einen neuen Versuch, die Milliardärin Heidi GoëssHorten als Auskunftsperson zu laden. Zudem hat der Ibiza-Ausschuss beim Bundesverwaltungsgericht einen Antrag auf die Verhängung einer „Beugestrafe in angemessener Höhe“gegen die Milliardärin gestellt, weil sie ihrer letzten Ladung am 4. Mai nicht nachgekommen war. Diese Entscheidungen fielen im Einvernehmen aller fünf Parteien. Als Auskunftsperson ist sie deswegen interessant, weil FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sie im Ibiza-Video als Spenderin genannt hatte, was er später widerrief. Dafür wurde bekannt, dass GoëssHorten der ÖVP große Summen spendete.