Das Böse ist in allen Schichten zu Hause
Gewalt gegen Frauen ist in allen Lebenslagen und Schichten zu Hause. Staat und Gesellschaft müssen sich einmischen.
Der schwache Trost zuerst: International betrachtet liegt Österreich bei der Anzahl der Morde gemessen an der Einwohnerzahl ganz weit hinten in der Statistik. Es gibt nur ein paar Länder auf der Welt, in denen noch weniger getötet wird. Aber: Bei uns werden anteilsmäßig mehr Frauen als irgendwo sonst umgebracht, und vor allem mehr Frauen als Männer.
Das ist einzigartig und schmerzt sehr.
Die politischen Erklärungsmuster sind so einfach wie falsch: Es seien die Ausländer oder „zumindest“Einheimische mit Migrationshintergrund, heißt es, es seien die Arbeitslosen, die Alkoholiker, die Verlierer im sozialen Wettbewerb, die der Reihe nach Frauen ermordeten. Heuer sind es bereits elf, im vergangenen Jahr waren es 31, 2018 gar 41.
Die Wahrheit ist: Das Böse ist immer und überall. Es ist in allen Gesellschaftsschichten zu Hause, Gewalt gegen Frauen bis hin zum Mord kennt keine Klassenunterschiede, geschlagen, gewürgt, gestochen und geschossen wird in den besten Kreisen ebenso wie in der Gosse. Es ist fast immer eine Frage von Macht und Ohnmacht und nicht eine von ethnischer Herkunft, Glauben oder Standeszugehörigkeit.
Die Politik ist wie in vielen anderen Problembereichen auch in diesem Fall auf das Kurieren von Symptomen ausgerichtet. Im Anlassfall werden allerlei Kommissionen ins Leben gerufen und kleinere Sonderbudgets für Projekte freigemacht. Sehr bald ist die Geschichte aber wieder vergessen. An die Bekämpfung der Ursachen denkt dann kaum noch jemand.
Der Staat muss daher mehr unternehmen als die bisher bekannten Alibiaktionen. Aktiver Polizeischutz für gefährdete Frauen und aktive Überwachung von potenziellen Tätern sind nur zwei Bereiche, wo Handlungsbedarf besteht. Dazu kommt Grundlagenarbeit in Beratung, Erziehung, Prävention. Unser gesamtes Gesellschaftsbild vom typisch männlichen Problemlöser Gewalt gehört umgekrempelt.
Ausbrüche bis hin zur Ermordung eines Menschen haben meist eine Vorgeschichte. Sehr oft gehen ihnen lange Leidensgeschichten voraus. Die ereignen sich selten im stillen Kämmerlein, sondern oft vor den Augen und Ohren von Angehörigen, Nachbarn, Freunden und Arbeitskollegen. Auch wir als Gesellschaft sind aufgerufen, unsere Augen nicht vor der Gewalt zu verschließen, die mitten unter uns passiert. Niemand mischt sich gern in private Konflikte ein. Doch es gibt Grenzen. Eine Anzeige im Notfall hat mit Vernadern nichts zu tun. Sie kann Leben retten. Und darum geht es.