Gefährliches Spiel
Über Effizienz, Seriosität und Fairness des Ibiza-Untersuchungsausschusses kann man durchaus geteilter Meinung sein. Worüber sich alle Demokraten hingegen einig sein müssten, ist der Umstand, dass die obersten Organe auf die Bundesverfassung nicht nur vereidigt sind, sondern diese gefälligst auch zu befolgen haben. Auch der Finanzminister. Wenn dieser sich erst dann dazu bequemt, einer vom Verfassungsgerichtshof angeordneten Aktenlieferung an den U-Ausschuss nachzukommen, wenn ihm der Bundespräsident mit der zwangsweisen Durchsetzung droht, ist Feuer am Dach der Demokratie. Eine Regierung, die Katz und Maus spielt mit dem Verfassungsgerichtshof – das hatten wir in der Zweiten Republik noch nie, sieht man vom einstigen Kärntner Ortstafel-Verrücker Jörg Haider ab, der völlig zu Recht niemals zu Regierungsehren auf Bundesebene kam. Und das brauchen wir in dieser Zweiten Republik auch nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass unsere politische Führung den Eindruck erweckt, die Bundesverfassung sei für sie nur eine Art unverbindliche Empfehlung. Man denke an die Nonchalance, mit der der Bundeskanzler die Verfassungswidrigkeit etlicher Coronaregeln kommentierte. Oder an den Finanzminister, dem, konfrontiert mit der EUWidrigkeit eines seiner Vorhaben, dieser Satz entfuhr: „Hören Sie auf mit diesen Paragrafen.“Die Österreicher haben keine politische Führung verdient, die sich am ungarischen oder polnischen Vorbild orientiert.
Übrigens haben die Bürger dieses Landes auch keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss verdient, aus dem ständig vertrauliche Daten, die nichts mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun haben, nach draußen geleakt werden. Die Sünder an der Demokratie sitzen nicht nur in der Regierung.