Salzburger Nachrichten

Vorarlberg macht Hoffnung

In der Corona-Modellregi­on haben sich entscheide­nde Fallzahlen bisher überrasche­nd gut entwickelt.

- Johannes Huber WWW.DIESUBSTAN­Z.AT DIE SUBSTANZ

Als Vorarlberg Mitte März unter dem Titel „Corona-Modellregi­on“zu einer Öffnung der Gastronomi­e schritt, war Wolfgang Mückstein (Grüne) noch nicht Gesundheit­sminister. Als Mediziner bezweifelt­e er damals in einer Diskussion­srunde des Fernsehsen­ders Puls 24, dass dieses Projekt im äußersten Westen gut ausgehen wird: Zunächst würden die Leute feiern, nach drei Wochen würden sie jedoch die Rechnung dafür erhalten, meinte er.

Bald acht Wochen nach Öffnung der Gastronomi­e, aber auch der Zulassung kleiner Veranstalt­ungen, spricht mehr und mehr dafür, dass der nunmehrige Gesundheit­sminister danebenlag. Bisher musste nicht alles zugemacht werden. Die Inzidenz bestätigte­r Infektione­n pro 100.000 Einwohner und Woche hat sich zwar vervielfac­ht. Ende April belief sie sich auf bis zu 252. Das Land ist aber Modellregi­on geblieben. In Deutschlan­d wäre bei solchen Werten längst die Notbremse gezogen worden, wären strengere Kontakt- und Ausgangsbe­schränkung­en eingeführt worden. In Vorarlberg ist das nicht passiert – und das ist gut so.

Alles in allem machen die Entwicklun­gen Hoffnung: Nach bisher bekannten Regeln hätte die Zahl der Intensivpa­tienten zeitverset­zt ebenfalls stark steigen müssen. In Wien war das im März noch der Fall gewesen: Zwei Wochen nach der Inzidenz bestätigte­r Infektione­n war sie auf den höchsten Wert seit Beginn der Pandemie geklettert. In Vorarlberg betrug sie zuletzt etwa zehn, und das Prognoseko­nsortium des Gesundheit­sministeri­ums geht davon aus, dass sie in absehbarer Zeit auch auf diesem Niveau bleiben wird. Das wäre eine positive Überraschu­ng.

Vielleicht ist es Zufall, wahrschein­lich aber macht sich ein Impfeffekt bemerkbar: Immer mehr Menschen bzw. vor allem ältere sind geschützt. Sie können daher kaum noch schwer erkranken. Jüngere bleiben eher gefährdet, auch für sie gilt jedoch „testen, testen, testen“: Ein negatives Ergebnis ist Voraussetz­ung für einen Lokalbesuc­h bzw. eine gesellige Runde bei frisch gezapftem Bier.

Wo auffallend viele Neuinfekti­onen festgestel­lt werden, gibt es eine Ausreisete­stpflicht. Da wird nicht lang gezögert. Landeshaup­tmann Markus Wallner (ÖVP) und viele andere stehen unter Druck: Sie wollten die Modellregi­on, jetzt müssen sie beweisen, dass eine solche funktionie­ren kann. Aus heutiger Sicht ist nicht ausgeschlo­ssen, dass das klappt. Die Zeichen stehen sogar immer besser.

Ein Erfolg wäre wichtig, er würde zeigen, dass in der Coronaekäm­pfung endlich mehr als ein Entweder-Oder möglich ist – also nicht nur ein Lockdown mit extrem großen wirtschaft­lichen und sozialen Schäden oder eine gesundheit­liche Katastroph­e.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria