30 Monate Haft für Vermögensberater
Ärzte, Architekten, Techniker und Unternehmer waren seine Opfer. Wegen Veruntreuung von Investorengeld wurde ein Treuhänder verurteilt. Das Strafverfahren war nur ein kleiner Teil dessen, was in dem Pyramidenspiel noch bevorsteht.
WIEN. Knapp ein Jahr lang ist ein 64-jähriger Vermögensberater im Wiener Landl in Untersuchungshaft gesessen. Trotz Verurteilung verließ er am Donnerstag den Gerichtssaal als freier Mann: Denn der Schöffensenat hatte den gebürtigen Tiroler wegen Veruntreuung zu 30 Monaten teilbedingter Haft (davon zehn Monate unbedingt) schuldig gesprochen. Sowohl der Staatsanwalt wie auch der Angeklagte verzichteten auf Rechtsmittel. Wo der verheiratete Treuhänder Unterschlupf finden wird, bleibt sein Geheimnis, zuletzt hatte er als Wohnadresse seine in die Pleite geschlitterte „Schilling“Treuhand GmbH in Wien-Landstraße angegeben.
Der angerichtete Schaden betrage 702.716 Euro, sagte Richterin Claudia Moravec-Loidolt in der Urteilsbegründung. Akribisch listete sie die Namen der Anleger auf, die jeweils bis zu 100.000 Euro verloren und sich als Privatbeteiligte dem Strafverfahren angeschlossen haben – darunter Zahnärzte, Fachärzte, Techniker, ein Architekt, Unternehmer und auch Pensionisten.
Sie alle hatten darauf vertraut, dass der Beschuldigte mit ihren Investitionen versprochene Renditen von sieben Prozent und mehr erzielt. Dem Gericht zufolge gebe es derzeit zwar keine Anhaltspunkte, dass sich der 64-Jährige durch sein Handeln persönlich bereichert habe, er habe aber treuwidrig über fremdes Vermögen verfügt. „Alle wollten das Geld zurückhaben“, so Richterin Moravec-Loidolt. Sie seien vom Beschuldigten, dessen „Schilling“-Unternehmensgruppe spätestens im Jahr 2018 in finanzielle Schieflage geriet, immer wieder vertröstet und hingehalten worden.
„Es tut mir aufrichtig leid. Ich habe zwar niemals die Absicht gehabt, Investoren und Anleger zu schädigen, habe aber in Kauf genommen, dass Schaden entstehen kann“, sagte der Angeklagte. Oberstaatsanwalt Wolfgang Handler von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erklärte in seinem Schlussplädoyer, dass für einen Treuhänder das Geld sehr wohl ein Mascherl habe. Denn es müsse exakt für den mit den Anlegern vereinbarten Zweck eingesetzt werden. „Es wurde aber dort verwendet, wo gerade Not am Geld war, wo man Löcher stopfen musste. Es geht nicht, sich von einem anderen Treuhandkonto Geld auszuborgen. So etwas nennt man Loch auf, Loch zu und ist zutiefst kriminell“, erklärte Handler. Noch dazu hätten die Geschädigten eine zum Teil lange Geschichte mit dem Treuhänder. „Sie haben darauf vertraut, dass ihr Geld in guten Händen ist.“
Der Angeklagte habe am Schluss in einer Scheinwelt gelebt und die Spirale habe sich immer weiter nach unten gedreht, sagte Handler.
Das Gesamtbild der „Schilling“Gruppe mit an die 30 Unternehmen stelle sich noch viel schlimmer dar als dieses eine Faktum. Sowohl Ankläger wie auch Richterin sprachen von der „Spitze des Eisberges“. Moravec-Loidolt dazu: „Wir haben einen Eindruck von den Verflechtungen bekommen.“
Auch bei Projekten in den Bereichen Immobilien, Pharma oder Hightech soll der 64-Jährige untreu gehandelt haben. Laut Handler laufen drei weitere Ermittlungsverfahren. Rund 400 Anleger haben im Insolvenzverfahren der „Schilling Treuhand“86,9 Mill. Euro an Forderungen angemeldet. Der aktuelle Massestand beträgt 7100 Euro. Rätselhaft bleibt derzeit, wohin das viele Geld verschwunden ist.