Der Hunger auf Kino wächst
Doch für Verleiher und Betreiber ist der Weg zur Öffnung kompliziert.
WIEN. Ein großer cineastischer Knalleffekt, das wär’s, eine leiwande Popcorn-Party. Aber nix da: Wenn am 19. Mai wie angekündigt „alles“aufmacht, sieht das bei den Kinos etwas anders aus. Ob die Kinos auch in Wien schon aufsperren dürfen, ist ohnehin noch nicht fix, und die großen Mehrsaalkinos werden bis auf Weiteres geschlossen halten, mangels neuer lukrativer Filme, sagt Michael Stejskal vom Filmverleih Filmladen, der in Wien mit Votivkino und DeFrance auch selbst für den Betrieb zweier Spielstätten verantwortlich ist.
Nach einem verregneten, kühlen Frühling, der ideales Kinowetter geboten hätte, starten die Kinos nun ausgerechnet zu jener Zeit, in der der Sonnen- und Frischlufthunger des Publikums am größten ist. Die ganz großen Filmverleiher setzen daher erst auf spätere KinostartTermine – der Vergewaltigungs-Rache-Thriller „Promising Young Woman“ist von Universal derzeit für 10. Juni angekündigt, „Fast & Furious 9“kommt überhaupt erst im Juli und der ewig aufgeschobene „James Bond: Keine Zeit zu sterben“frühestens im September. Sony wagt mit „Peter Hase 2“erst Anfang Juli einen ersten Film, hat über den Sommer mit „Escape Room 2“einen Thriller eingeplant und legt erst im Herbst mit „Venom“richtig los. Warner hält sich noch bedeckt, was die Starts betrifft, „Godzilla vs. Kong“steht als nächster großer
Film an, die potenziellen Blockbuster „Wonder Woman 1984“und „Zack Snyder’s Justice League“waren ja zu Sky ausgewandert.
Obwohl die reizvollen Filme sich wegen der vielen Monate Verschiebungen regelrecht stauen, sei in der Branche vor allem Abwarten angesagt, so Stejskal: „Wir spielen momentan Mikado, wer sich als Erster bewegt, hat verloren. Die Verleiher schauen auf die Kinos und ihre Öffnungspläne, die Kinos schauen auf die Verleiher, denn ohne Filme bringt das Aufsperren nichts. Und alle schauen auf die Deutschen, denn ohne deutsche Öffnung bleibt das Angebot sehr beschränkt.“Viele österreichische Verleiher sind vertraglich verpflichtet, Filme nicht vor den deutschen Kinos zu starten. Da Deutschland mit der Öffnung frühestens im Juni beginnt, bleibt bis dahin das Filmangebot schmal.
Zumindest Fans von Arthousefilmen können sich schon auf frische Mai-Starts freuen. Am Pfingstwochenende bringt Filmladen das üppig inszenierte chilenische SozialTanz-Drama „Ema“und am 27. Mai das Biopic „Miss Marx“, das auch die Viennale eröffnet hatte. Erster größerer Filmstart Mitte Juni soll Maria Schraders fantastische Beziehungskomödie „Ich bin dein Mensch“sein, die auch das Crossing-Europe-Festival eröffnet.
Eine Nummer kleiner, dafür aber flexibler plant der Verleih Polyfilm, noch im Mai sollen der japanische Anime „Demon Slayer – The Movie“, der Konzertfilm „David Byrnes American Utopia“, die Wirtschaftsdoku „Oeconomia“und „Martin Margiela – Mythos der Moderne“über den Modedesigner Margiela in die Kinos kommen.
Und dann bekommen hoffentlich noch jene Filme eine zweite Chance, die im Herbst nur kurz gelaufen waren, die Schlingensief-Doku „Ins Schweigen hineinschreien“, die Komödie „Booksmart“, die Doku „Liebe war es nie“über die Beziehung einer jüdischen KZ-Häftlingsfrau und eines SS-Mannes oder die zuversichtliche Herzbruchkomödie „Mein Liebhaber, der Esel und ich“. Es gibt einiges aufzuholen.