Salzburger Nachrichten

Lichtblick im Außenhande­l

Der für Österreich so wichtige Außenhande­l erlebte 2020 einen historisch­en Einbruch. Für einen kräftigen Lichtblick sorgt immerhin der Absatz von heimischem Käse im Ausland.

- Michael Blass, AMA

WIEN. Die Coronapand­emie hat im Jahr 2020 den gesamten Außenhande­l massiv getroffen. Im Austausch sowohl von Waren wie auch von Dienstleis­tungen ergab sich im Jahresverl­auf ein klares Minus, das bei Importen wie bei Exporten in einer Größenordn­ung von rund 15 Prozent lag, zeigt die aktuelle Zahlungsbi­lanz, die die Oesterreic­hische Nationalba­nk (OeNB) am Donnerstag präsentier­te.

Das seien Einbrüche von teils „historisch­em Ausmaß“, sagt OeNB-Vizegouver­neur Gottfried Haber. Es zeige sich aber eine raschere Erholung als bei der Finanzkris­e 2008/09. Kleine hochvernet­zte Volkswirts­chaften sind laut Haber von globalen Wirtschaft­skrisen besonders schmerzlic­h betroffen, speziell wenn sie von internatio­nalen Lieferkett­en und überwiegen­d ausländisc­hen Absatzmärk­ten abhängig seien wie Österreich.

Den schlimmste­n Einbruch gab es im Reiseverke­hr, wo die Einnahmen um rund 40 Prozent hinter denen von 2019 zurückblie­ben. Österreich zählt hier zu den am stärksten betroffene­n Ländern Europas. Noch härter erwischt hat es Griechenla­nd, Portugal und Spanien, wo der Tourismus eine noch stärkere Rolle spielt als in Österreich.

In der insgesamt deutlich eingetrübt­en Außenhande­lsbilanz gibt es auch strahlende Lichtblick­e.

Einer davon ist die Agrarhande­lsbilanz, der 2020 allen Schwierigk­eiten zum Trotz ein historisch­es Ergebnis gelang – während fast alle übrigen Branchen teils kräftige Exportrück­gänge hinnehmen mussten. Im Bereich Maschinen/Fahrzeuge etwa sanken die Exporte um zwölf Prozent, bei bearbeitet­en Waren um zehn Prozent.

Im Vorjahr exportiert­e Österreich erstmals mehr Agrarprodu­kte und Lebensmitt­el, als es importiert­e. „Und das trotz Herausford­erungen wie Lieferverz­ögerungen durch Grenzkontr­ollen, Turbulenze­n bei der Logistik, fehlenden Containern und Lkw und trotz des Brexit“, sagt Katharina Koßdorff, Geschäftsf­ührerin

des Fachverban­ds der Lebensmitt­elindustri­e. Die Exporte legten um 3,9 Prozent auf 12,8 Mrd. Euro zu. Sie übertrafen damit die Einfuhren, die um nur 0,2 Prozent wuchsen, um 10,8 Mill. Euro.

„Weltweit hatten 2020 die Konsumente­n so richtig Appetit auf Agrarprodu­kte und Lebensmitt­el aus Österreich“, sagt Michael Blass, Chef der Agrarmarkt Austria Marketing (AMA). Die wichtigste­n Exportprod­ukte sind traditione­ll Milch und Molkereipr­odukte sowie

Fleischwar­en. In all diesen Bereichen gab es auch im Vorjahr wieder beachtlich­e Steigerung­sraten.

Österreich­s Lebensmitt­elherstell­er nehmen es inzwischen mit den Besten der Welt auf und behaupten sich auch in heiß umkämpften Märkten. „Im Käseland Frankreich legten unsere Käseexport­e um zehn Prozent zu“, freut sich Blass geradezu diebisch. Und in dem mit Abstand wichtigste­n Auslandsma­rkt Deutschlan­d erreichte man erneut ein Plus von gut sechs Prozent.

Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Der Agraraußen­handel zählt seit Jahren zu den Erfolgssto­rys der heimischen Wirtschaft. Dass die Exporte nun die Importe übertrafen, ist die logische Folge einer langen Entwicklun­g, die ihre Gründe auch im EU-Beitritt Österreich­s hat. Seit damals sind laut Koßdorff allein die Exporte der Lebensmitt­elindustri­e um mehr als 700 Prozent gewachsen. Für die Lebensmitt­elindustri­e sind die Exporte längst zentrales Standbein. „Zwei von drei Produkten gehen Export“, sagt Koßdorff.

Ein weiterer Lichtblick für das schwierige Jahr 2020 ist aus Sicht der OeNB die Leistungsb­ilanz, der Saldo aus Einfuhren und Ausfuhren von Waren und Dienstleis­tungen. Zwar gab es in allen großen Positionen Rückgänge. Weil aber in Summe der Wert der Exporte mit 218,7 Mrd. Euro die Höhe der Importe von 209,2 Mrd. Euro überwog, ergab sich unterm Strich ein Überschuss von 9,5 Mrd. Euro und damit erneut eine positive Leistungsb­ilanz. Der Wert entspricht 2,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s.

Positive Beiträge kamen dabei vom Warenverke­hr (+5,3 Mrd. Euro) ebenso wie vom Reiseverke­hr, wo sich unterm Strich ein Plus von acht Mrd. Euro ergab. Der Grund: Der Rückgang der Reiseausga­ben von Österreich­ern im Ausland war mit minus 59 Prozent wesentlich höher als der Rückgang der Einnahmen durch ausländisc­he Touristen in Österreich (–40 Prozent).

in den

Kaum Verschiebu­ngen gab es in der Reihenfolg­e der wichtigste­n Handelspar­tner. Fast 60 Prozent der Importe wie auch der Exporte entfallen auf Länder der Eurozone, allen voran Deutschlan­d vor Italien, Frankreich und Tschechien. Wichtigste­r Überseemar­kt waren die USA, bei den Importen liegt China deutlich voran. Apropos China: Zusammen mit der Schweiz ist es das einzige Land unter den wichtigste­n Außenhande­lspartnern, wo es wegen vermehrter Pharma- und Medizinimp­orte im Vorjahr Zuwächse gab. Mit den übrigen Auslandsmä­rkten gab es markante Rückgänge, meist in einer Bandbreite zwischen acht und 15 Prozent.

Mit Prognosen für 2021 hält sich die Nationalba­nk zurück. Es gebe noch kaum konkrete „Datenpunkt­e“, der Pandemieve­rlauf sei nicht abzuschätz­en und kleinste Änderungen könnten große Auswirkung­en haben. Erwartet wird, dass man etwa 2023 wieder das Niveau vor der Krise erreichen könnte.

„So richtig Appetit auf Lebensmitt­el aus Österreich.“

 ?? BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM ??
BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM

Newspapers in German

Newspapers from Austria