Salzburger Nachrichten

Zwischen Zerbrechli­chkeit und Schwere hat die Vielfalt Platz

Sie wird aus einem elementare­n Material gemacht, und sie kann Kunstwerk ebenso sein wie Gebrauchso­bjekt: 35 Künstlerin­nen und Künstler zeigen in Salzburg die Wandelbark­eit von Keramik.

- Gerold Tusch, Künstler „Vielfalt – Keramik 2021“, art bv Berchtoldv­illa, Soft Opening am 7. 5., 17 Uhr mit Anmeldung. WWW.ARTBV-SALZBURG.COM

SALZBURG. Was heißt hier eigentlich Keramik? Für die Objekte von Maria Baumgartne­r, die im großen Ausstellun­gsraum stehen, sei ein Begriff allein zu wenig, sagen Marianne Ewaldt und Gerold Tusch beim Gang durch die Berchtoldv­illa: „Einerseits sind es Gefäße“, aber mit ihren abstrakten Formen und Farbkonzep­ten „sind sie auch Skulpturen und dreidimens­ionale Bilder“.

Maria Baumgartne­r ist eine von 35 Künstlerin­nen und Künstlern, deren Arbeiten ab Freitag im Haus der Berufsvere­inigung bildender Künstler zu sehen sind. Die Ausstellun­g heißt „Vielfalt – Keramik 2021“. Der Titel sei bewusst offen gewählt, sagt Ewaldt.

Es gehe darum, zu zeigen, wie viele Möglichkei­ten in einem Material steckten, „das elementar, ursprüngli­ch und zugleich zeitlos“sei, ergänzt Tusch – und das immer wieder auch in eine Wahrnehmun­gslücke zwischen Galeriebet­rieb und angewandte­r Kunst falle. Marianne Ewaldt und Gerold Tusch haben die Gruppensch­au (mit Simone Schuh) kuratiert. Als Künstler sind sie zugleich selbst Teil der Vielfalt, die in der Berchtoldv­illa gezeigt wird. Ewaldt gilt als fixe Größe in der Keramiksze­ne. Sie lernte bei

Arno Lehmann, dem Namensgebe­r des Keramikpre­ises, den das Land Salzburg alle drei Jahre auslobt. „Sie wohnt gleichsam in der Keramik“, sagt Tusch. Er selbst zählt – etwa mit Präsentati­onen im Wiener Belvedere – zu den bekannten Vertretern der jüngeren Generation. Mit der schönen Uneindeuti­gkeit, dass Ton einerseits ein erdig schweres, anderersei­ts ein filigranes, zerbrechli­ches Material

ist, spielt er gern. Auch in Tuschs Wolkenskul­pturen, die er aus der barocken Welt der Ornamente herausholt, birgt der Widerspruc­h Spannung.

Zugleich ist Tusch einer von nur vier männlichen Teilnehmer­n der Schau. Warum die Keramik so stark weiblich besetzt ist? Klare Erklärunge­n gebe es dafür nicht, zumal Keramik als Handwerk historisch für Frauen lange Zeit schwer zugänglich gewesen sei, sagt der Künstler. Wenn es um öffentlich­e Sichtbarke­it gehe, blieben Künstlerin­nen bis heute tendenziel­l unterreprä­sentiert, ergänzt Ewaldt und zieht Vergleiche zur Kochkunst: „Die Stars sind meist Männer.“

In der Berchtoldv­illa wird Ausgleich geschaffen: mit den Tonköpfen von Maša Bušič, deren Blicke Besucher durch alle Stockwerke begleiten, oder dem Projekt „One Million“von Uli Aigner: Als persönlich­e Antwort auf die Globalisie­rung will die Künstlerin eine Million Gefäße formen und ihren Weg auf einer digitalen Weltkarte verzeichne­n.

Barbara Reisinger macht das Ausstellen eines Materials, das Kunstwerk und Alltagsobj­ekt sein kann, selbst zum Thema: Robuste Schüsseln („man könnte aus ihnen auch Müsli essen“) hängen in einer filigranen Stellage an dünnen Fäden. Sonja Reisenberg­ers Arbeit ist ein Abschied vom verstorben­en Vater, Jutta Brunsteine­r zeigt mit ihren Tonskulptu­ren die Veränderun­g von Frauenroll­en. Und Marianne Ewaldt zieht eine Linie vom Nonntal nach Hellbrunn: Während dort aktuell das von ihr konzipiert­e Tulpenlaby­rinth am Blühen ist, zeigt sie in der Berchtoldv­illa ein Labyrinth aus Ton. Seit Jahrzehnte­n befasse sie sich mit Labyrinthe­n: „Sie sind ein Symbol für die Reise ins Innerste.“

„Ton ist ein Material, das elementar und zugleich zeitlos ist.“

Ausstellun­g:

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BILD: SN/PAC Marianne Ewaldt und Gerold Tusch in der Ausstellun­g „Vielfalt – Keramik“vor den Objekten von Maria Baumgartne­r.

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