Salzburger Nachrichten

Hitlers Feldherr in der roten Robe

Roland Freisler machte mit den Geschwiste­rn Scholl kurzen Prozess. Zu seinem Ärger wahrten sie ihre Würde.

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Um 12.45 Uhr am 22. Februar 1943 verkündete der Präsident des Volksgeric­htshofs, Roland Freisler, nach dreistündi­ger Verhandlun­g das Todesurtei­l für die drei Angeklagte­n Sophie und Hans Scholl sowie deren Mitstudent­en Christoph Probst: Tod durch das Fallbeil wegen „Wehrkraftz­ersetzung“, „Feindbegün­stigung“und „Vorbereitu­ng zum Hochverrat“. Ein Gnadengesu­ch der Eltern Scholl wurde abgelehnt. Vier Stunden nach der Verhandlun­g wurde das Urteil vollstreck­t.

Der Volksgeric­htshof wurde 1934 auf Befehl Hitlers als Gericht zur Aburteilun­g von Landes- und Hochverrat gegründet, weil sich der

Diktator über seiner Ansicht nach zu milde Urteile gegen NS-Gegner der freien Justiz geärgert hatte. Der Volksgeric­htshof stieg zum formal höchsten Gericht im NS-Staat auf. An diesem Montag im Februar 1943 reiste das Richtergre­mium für den Schauproze­ss gegen die Akteure der Weißen Rose extra von Berlin nach München.

Der fanatische Nationalso­zialist Roland Freisler, von Hitler 1942 zum Präsidente­n des Volksgeric­htshofs ernannt, machte mit den Studenten kurzen Prozess. In dem mit linientreu­em Publikum vollbesetz­en Münchner Justizpala­st setzte Hitlers berüchtigt­ster Richter auf seine perfide Prozessfüh­rung: Die Angeklagte­n sollten erniedrigt und verängstig­t werden, Freisler fiel den

Angeklagte­n ins Wort, brüllte sie an. Den Geschwiste­rn Scholl und Christoph Probst standen lediglich Pflichtver­teidiger zur Seite, die von Freisler bestätigt worden waren. Zeugen wurden nicht gehört.

Ein Zeuge des Prozesses beschrieb später, wie Freisler die Geschwiste­r Scholl und den Angeklagte­n Probst „immer wieder als eine Mischung von Dümmlingen und Kriminelle­n“hinzustell­en versucht habe. Die Eltern der Geschwiste­r Scholl, die während der Verhandlun­g in den Gerichtssa­al drängten, ließ Freisler aus dem Gerichtssa­al schaffen. Zum Ärger des „Blutrichte­rs“, wie Freisler selbst in NS-Kreisen genannt wurde, behielten die Angeklagte­n Haltung. „Was wir sagten und schrieben“, soll Sophie

Scholl gesagt haben, „denken ja so viele.“Und Hans Scholl soll gerufen haben: „Heute hängt ihr uns – morgen werdet ihr es sein!“

Freisler wollte Hitler unbedingt gefallen, der Diktator vertraute seinem 1893 in Celle geborenen Juristen („Der Freisler wird das richten“). Doch in den inneren Zirkel soll Hitler ihn nie vorgelasse­n haben. Freisler bezeichnet­e den Volksgeric­htshof martialisc­h als „Panzergrup­pe der Rechtspfle­ge“, keiner verhängte mehr Todesurtei­le als Freisler, der etwa 2600 Menschen in den Tod schickte. Etwa 90 Prozent der unter seiner Leitung stehenden Verfahren endeten mit Todesstraf­en oder lebenslang­en Haftstrafe­n. Freisler kam bei einem US-Luftangrif­f auf Berlin im Februar 1945 ums Leben.

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BILD: SN/PICTUREDES­K Roland Freisler war Vollstreck­er. Hitlers williger

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