The Sound of Fahrrad
On the road, aber anders: Auf einer Etappe unterwegs mit Manu Delago, der mit Band in die Zukunft radelt.
SALZBURG. Es wird eng in der Kurve nach der schmalen Brücke. Der Radanhänger kommt ins Schwanken. Instrumente sind drin, ein paar persönliche Utensilien und ein Akku. 60 Kilo schwer alles zusammen. Daran muss man sich erst gewöhnen. Es lenken keine Radprofis, sondern Musiker. Aber es geht nicht anders. Manu Delago ist auf Österreich-Tournee – mit fünf Kollegen und auf dem Fahrrad.
Der 35-jährige Delago bremst vorsichtig vor der nächsten Kurve. Die Anhänger können so heftig von hinten schieben wie der Schlagzeugsound einer Band. Die Truppe pedaliert unter tiefen Regenwolken nicht allein wegen der Abenteuerlust. Es geht um Musik. Und es geht um gesellschaftspolitisches Bewusstsein. Seit sieben Tagen sind sie schon unterwegs. „Ein bisserl spürt man schon die Beine“, sagt Simon Schindler, der Mann fürs Licht. Eigens trainiert hat keiner.
„Es geht nicht um irgendeine sportliche Leistung, sondern darum, klarzumachen, dass das Rad in vielen Bereichen ein praktisches Mobilitätsgerät ist“, sagt Delago. Und die Fahrräder dienen auch als Kraftwerke und Instrumente bei den Auftritten.
35 Tage. 26 Konzerte. 1600 Kilometer werden die fünf am Ende der „ReCycling-Tour“in den Beinen haben. On the road. Da tauchen alte Popklischees auf – die Weite, die Sehnsucht und vor allem der Highway, auf dem alles rasant dahingeht. Wenn aber der Highway und die Road ein geschotterter Weg in einer Au sind, geht es in eine andere Richtung, dann wird vieles eingebremst. Dann hat die Sehnsucht nicht mit Ruhm und Erfolg, dafür aber mit Nachhaltigkeit und neuem Lebensstil zu tun.
Manu Delago saß viel in Bussen. Und in Flugzeugen. In den vergangenen Jahren pendelte er zwischen Innsbruck und London. Jetzt geht es durch die Saalachau nach Siezenheim, gut 70 Kilometer. Dort wird gespielt und übernachtet, bevor Seekirchen nächstes Etappenziel ist. Zwischendurch gibt es einen Spontanauftritt bei der Fridays-forFuture-Demo. Vieles muss, auch der Pandemie geschuldet, vorsichtig und spontan passieren.
Ein paar Mal flog Delago schon um die Welt. So ist das, wenn man als Musiker international gefragt ist. Als Hangspieler, Perkussionist, Produzent und Komponist begleitete er Björk oder Anoushka Shankar, spielte mit dem London Symphony Orchestra. Da wird der ökologische Fußabdruck gigantisch. Dass er nun mit seiner Band durchs Land radelt, ist Resultat eines „längeren Prozesses des Nachdenkens“.
Freilich geht es auf der Expedition in neue Möglichkeiten auch um Abenteuerlust. Naturverbundenheit gehöre für ihn „immer schon zum Leben“. In den Tiroler Bergen entstand vor drei Jahren auch sein bisher letztes außergewöhnliches Projekt, der Musik- und Bergfilm „Parasol Peak“, für den er auf verschiedenen Gipfeln musizierte.
Endgültiger Anstoß, eine Tour mit dem Rad zu probieren, war dann die Arbeit am letzten Album. Da legte er den täglichen Weg ins Studio immer auf dem Rad zurück. Freilich sei der Aktionsradius eingeschränkt. Die Länge der Etappen muss moderat sein. Alles muss mit eigener Kraft gezogen werden – Instrumente, Bühnenequipment, Lichttechnik. Es wird auf der ganzen Strecke jeglicher CO2-Ausstoß vermieden. Der Strom für die Beleuchtung bei den Auftritten wird selbst gewonnen – die Deckel der Radanhänger sind Solarpaneele. Jede Art von Plastik ist verboten. Und auch das Publikum, wenn es ab Mitte Mai wieder kommen darf, wird aufgefordert mitzumachen und gebeten, „klimaschonend zu den Konzerten zu reisen und auf Autos zu verzichten“. Auch bei der Verpflegung spielt das Publikum eine Rolle. „Wir haben Jausenboxen dabei, die uns Veranstalter oder Fans füllen.“Man solle dafür heimische Produkte verwenden. In Saalfelden gab es nach dem Konzert im Nexus beim Aufbruch zur siebten Etappe „jede Menge Couscous, Gugelhupf und lokalen Käse“. Bei der Rast an der Teufelsbrücke in Lofer steht das „Buffet“auf einem der Anhänger.
Die Route blieb die gleiche wie im Vorjahr, als die Tour Corona zum Opfer fiel. „Wir haben die Zeit genutzt, um an Details zu tüfteln“, sagt Delago. Auf die kommt es etwa an, wenn man Gewicht sparen will. Selbst für die Kleidung gibt es eine Absprache: „Nichts Weißes.“Das lässt sich nicht so leicht reinigen. Dafür ist Tobias Steinberger zuständig. Alle drei Tage werden die Netze mit Schmutzwäsche eingesammelt. Es gibt auch nur eine Zahnpastatube für je zwei Männer. Und für die Posaune von Alois Eberl musste ein extralanger Anhänger gebaut werden, damit sein Instrument hineinpasst. „Ich weiß nicht, ob man es als Pionierarbeit bezeichnen kann – für mich ist es als Statement wichtig“, sagt Delago. Er suche aber immer neue Abenteuer, weil ihn die Wiederholung langweile. Einzig was die Ausdauer der Beine betrifft, herrscht noch Ungewissheit. Die nächsten Tage werden es zeigen. Da stehen die beiden längsten Etappen an. Von Seekirchen geht es nach Passau, von dort nach Linz, wo am Tag der Etappe ein Auftritt geplant ist. Inwieweit sich diese je knapp 100 Kilometer auf dem Rad abends auf die Musik auswirken könnten, lässt sich schwer sagen: „Aber wir kommen langsam in den RadGroove“, sagt Delago.