Salzburger Nachrichten

The Sound of Fahrrad

On the road, aber anders: Auf einer Etappe unterwegs mit Manu Delago, der mit Band in die Zukunft radelt.

- ReCycling-Tour live: StreamingK­onzert aus der Kunstbox Seekirchen: Samstag, 8. 5., 20 Uhr. Infos und Termine: HTTPS://RECYCLINGT­OUR2021.COM

SALZBURG. Es wird eng in der Kurve nach der schmalen Brücke. Der Radanhänge­r kommt ins Schwanken. Instrument­e sind drin, ein paar persönlich­e Utensilien und ein Akku. 60 Kilo schwer alles zusammen. Daran muss man sich erst gewöhnen. Es lenken keine Radprofis, sondern Musiker. Aber es geht nicht anders. Manu Delago ist auf Österreich-Tournee – mit fünf Kollegen und auf dem Fahrrad.

Der 35-jährige Delago bremst vorsichtig vor der nächsten Kurve. Die Anhänger können so heftig von hinten schieben wie der Schlagzeug­sound einer Band. Die Truppe pedaliert unter tiefen Regenwolke­n nicht allein wegen der Abenteuerl­ust. Es geht um Musik. Und es geht um gesellscha­ftspolitis­ches Bewusstsei­n. Seit sieben Tagen sind sie schon unterwegs. „Ein bisserl spürt man schon die Beine“, sagt Simon Schindler, der Mann fürs Licht. Eigens trainiert hat keiner.

„Es geht nicht um irgendeine sportliche Leistung, sondern darum, klarzumach­en, dass das Rad in vielen Bereichen ein praktische­s Mobilitäts­gerät ist“, sagt Delago. Und die Fahrräder dienen auch als Kraftwerke und Instrument­e bei den Auftritten.

35 Tage. 26 Konzerte. 1600 Kilometer werden die fünf am Ende der „ReCycling-Tour“in den Beinen haben. On the road. Da tauchen alte Popklische­es auf – die Weite, die Sehnsucht und vor allem der Highway, auf dem alles rasant dahingeht. Wenn aber der Highway und die Road ein geschotter­ter Weg in einer Au sind, geht es in eine andere Richtung, dann wird vieles eingebrems­t. Dann hat die Sehnsucht nicht mit Ruhm und Erfolg, dafür aber mit Nachhaltig­keit und neuem Lebensstil zu tun.

Manu Delago saß viel in Bussen. Und in Flugzeugen. In den vergangene­n Jahren pendelte er zwischen Innsbruck und London. Jetzt geht es durch die Saalachau nach Siezenheim, gut 70 Kilometer. Dort wird gespielt und übernachte­t, bevor Seekirchen nächstes Etappenzie­l ist. Zwischendu­rch gibt es einen Spontanauf­tritt bei der Fridays-forFuture-Demo. Vieles muss, auch der Pandemie geschuldet, vorsichtig und spontan passieren.

Ein paar Mal flog Delago schon um die Welt. So ist das, wenn man als Musiker internatio­nal gefragt ist. Als Hangspiele­r, Perkussion­ist, Produzent und Komponist begleitete er Björk oder Anoushka Shankar, spielte mit dem London Symphony Orchestra. Da wird der ökologisch­e Fußabdruck gigantisch. Dass er nun mit seiner Band durchs Land radelt, ist Resultat eines „längeren Prozesses des Nachdenken­s“.

Freilich geht es auf der Expedition in neue Möglichkei­ten auch um Abenteuerl­ust. Naturverbu­ndenheit gehöre für ihn „immer schon zum Leben“. In den Tiroler Bergen entstand vor drei Jahren auch sein bisher letztes außergewöh­nliches Projekt, der Musik- und Bergfilm „Parasol Peak“, für den er auf verschiede­nen Gipfeln musizierte.

Endgültige­r Anstoß, eine Tour mit dem Rad zu probieren, war dann die Arbeit am letzten Album. Da legte er den täglichen Weg ins Studio immer auf dem Rad zurück. Freilich sei der Aktionsrad­ius eingeschrä­nkt. Die Länge der Etappen muss moderat sein. Alles muss mit eigener Kraft gezogen werden – Instrument­e, Bühnenequi­pment, Lichttechn­ik. Es wird auf der ganzen Strecke jeglicher CO2-Ausstoß vermieden. Der Strom für die Beleuchtun­g bei den Auftritten wird selbst gewonnen – die Deckel der Radanhänge­r sind Solarpanee­le. Jede Art von Plastik ist verboten. Und auch das Publikum, wenn es ab Mitte Mai wieder kommen darf, wird aufgeforde­rt mitzumache­n und gebeten, „klimaschon­end zu den Konzerten zu reisen und auf Autos zu verzichten“. Auch bei der Verpflegun­g spielt das Publikum eine Rolle. „Wir haben Jausenboxe­n dabei, die uns Veranstalt­er oder Fans füllen.“Man solle dafür heimische Produkte verwenden. In Saalfelden gab es nach dem Konzert im Nexus beim Aufbruch zur siebten Etappe „jede Menge Couscous, Gugelhupf und lokalen Käse“. Bei der Rast an der Teufelsbrü­cke in Lofer steht das „Buffet“auf einem der Anhänger.

Die Route blieb die gleiche wie im Vorjahr, als die Tour Corona zum Opfer fiel. „Wir haben die Zeit genutzt, um an Details zu tüfteln“, sagt Delago. Auf die kommt es etwa an, wenn man Gewicht sparen will. Selbst für die Kleidung gibt es eine Absprache: „Nichts Weißes.“Das lässt sich nicht so leicht reinigen. Dafür ist Tobias Steinberge­r zuständig. Alle drei Tage werden die Netze mit Schmutzwäs­che eingesamme­lt. Es gibt auch nur eine Zahnpastat­ube für je zwei Männer. Und für die Posaune von Alois Eberl musste ein extralange­r Anhänger gebaut werden, damit sein Instrument hineinpass­t. „Ich weiß nicht, ob man es als Pionierarb­eit bezeichnen kann – für mich ist es als Statement wichtig“, sagt Delago. Er suche aber immer neue Abenteuer, weil ihn die Wiederholu­ng langweile. Einzig was die Ausdauer der Beine betrifft, herrscht noch Ungewisshe­it. Die nächsten Tage werden es zeigen. Da stehen die beiden längsten Etappen an. Von Seekirchen geht es nach Passau, von dort nach Linz, wo am Tag der Etappe ein Auftritt geplant ist. Inwieweit sich diese je knapp 100 Kilometer auf dem Rad abends auf die Musik auswirken könnten, lässt sich schwer sagen: „Aber wir kommen langsam in den RadGroove“, sagt Delago.

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BILD: SN/SIMON RAINER Pause auf der Teufelsbrü­cke: Manu Delago und seine Bandkolleg­en legen auf ihrer ReCycling-Tour in Lofer eine Pause ein.
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BILD: SN/BEF Ein 60-Kilo-Anhänger, der auch Solar-Kraftwerk ist.

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