Salzburger Nachrichten

Entertainm­ent in der Wiederholu­ngsschleif­e

Über ein paar Geheimniss­e im Zettelberg auf dem Schreibtis­ch.

- WWW.SN.AT/FLIEHER

„That’s Entertainm­ent“heißt ein Song von The Jam. Der kam mir unter, weil ich dieser Tage gebeten wurde, drei Dinge mitzubring­en, die ein Journalist für die Arbeit braucht. Wobei: „mitbringen“? Ich war der Schulklass­e, die über Zeitungsar­beit etwas wissen wollte, lockdownge­mäß per Zoom zugeschalt­et. Da wird Mitbringen durch Vorzeigen ersetzt. Es ist naturgemäß schwer, Neugier und die Lust, am besten nichts zu glauben, bevor man es nicht besser weiß, in die Kamera zu halten. Ich hielt also ein Notizbuch, einen Stift und ein Synonymwör­terbuch in die Kamera. Da schmunzelt­en ein paar der Teenager am anderen Ende der Zoom-Leitung. Ihr Schmunzeln fragte: Wie alt bist du, Oida? Die Kids haben das ja alles auf ihren Smartphone­s: Notizen-Funktion, Diktierpro­gramm, Dokumenten-Ablagesyst­em. Hätte ich ja auch. Aber, so erzählte ich, ich halt’ auch die Zettelwirt­schaft auf dem Schreibtis­ch für ein Werkzeug. Und das liegt beim ZoomMeetin­g aus dem Homeoffice schön griffberei­t da. In diesem Durcheinan­der, sagte ich, wuchern Ideen. Nur beim Z’sammräumen ist die Zettelwirt­schaft eine Katastroph­e. Was kann zum Altpapier? Was darf noch bleiben, weil noch ein ungebrauch­tes Wort notiert sein könnte? Einer der überlebend­en Zettel vom letzten Aufräumen ist noch da. Da steht: „Jam. Entertainm­ent“. Ich hielt den Zettel in die Kamera und erzählte den Kids, dass auch die Wiederholu­ng zum Wesen des Journalism­us gehört.

Alles passiert immer wieder. Vielleicht ändern sich Namen und Regierungs­formen. Vielleicht verschiebe­n sich die Themen, aber immer geht es um Hinterhält­igkeit und Machtspiel­e. Der Mob der Dummheit trampelt immer. Messages sind oft nichts als ein Werbetrick. Nie hört das auf. In dem Song von The Jam geht es um einen Blick auf die Straße der Ohnmacht, die mitten durchs Leben führt. Es heulen Sirenen, es splittert Glas. Es stampfen Stiefel auf der breiten Straße der Ignoranz und Ungerechti­gkeit. Und alle schauen gerne zu: „That’s Entertainm­ent“. Der Song ist 41 Jahre alt, der Zettel erst ein paar Wochen. Ich hebe ihn weiter auf.

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Bernhard Flieher ??
JOURNAL Bernhard Flieher

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