Salzburger Nachrichten

„Mein Frauenbild basiert auf dem Koran“

Fatma Akay-Türker kämpft für die Gleichstel­lung der Frau im Islam und gegen traditione­lle patriarcha­lische Rollenbild­er. Sie tut dies mit unermüdlic­hem Mut und großem Herzen und beruft sich dabei auf ihr umfassende­s Wissen.

- Erscheint am Samstag, dem 8. Mai, im Verlag edition a.

eine eigene Lehre geschriebe­n, darin hat die Frau keinen ebenbürtig­en Stellenwer­t und Platz.

SN: Wie kann man das ändern? Ich bin auch Historiker­in und habe gesehen, dass in der Geschichte alle immer die einzige Wahrheit für sich beanspruch­t haben. Man muss aber auf die Gesamtlehr­e des Koran achten. Ich selbst konnte meine Emanzipati­on nur durch den Koran vervollstä­ndigen. Denn dort ist alles festgeschr­ieben. Man muss ihn nicht ändern. Aber wir müssen die Diskrepanz erkennen, dass wir eine Lehre haben, die die Unterordnu­ng von Frauen vorschreib­t, dass Männer Frauen schlagen dürfen, Frauen gehorsam sein müssen. Ich kann keine Kritik anbringen, ohne auch Lösungen anzubieten, und ich habe meine Lösungsvor­schläge jetzt in dem Buch zusammenge­fasst.

SN: Gewalt gegen Frauen ist im Moment ein großes Thema, auch in der Türkei, hängt das auch mit den patriarcha­len Strukturen zusammen?

Leider. Ich will hier keinesfall­s pauschalis­ieren. Ich habe kein Problem mit Männern, meist kritisiere­n mich die Frauen. Ich habe ein Problem mit dem Patriarcha­t. Es ist großteils schuld daran. Die Quelle der Gewalt ist, wenn sich Männer immer noch überlegen fühlen und glauben, dass die Frau ihnen von Gott anvertraut wurde und sie sie daher schlagen dürfen. Sie glauben, dass die Tradition, an der sie festhalten, Religion ist.

SN: Die Frauen müssen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen?

Ich war in meinem 40. Lebensjahr, als ich gesehen habe, dass Gott im Koran die Frauen direkt anspricht. Die Theologie der Männer tut das nicht. Männer haben Bücher für Männer geschriebe­n und die Frauen nicht berücksich­tigt. Wenn Frauen anfangen zu hinterfrag­en, dann wird es eine Veränderun­g geben.

Als ich meine Stimme erhoben habe, war ich fest davon überzeugt, dass es Allahs Wille ist. Aber Gottes Wille braucht auch die Männer, damit sich etwas ändert.

SN: Sie schreiben in Ihrem

Buch, der Koran hat lange vor den Menschenre­chten die Gleichheit aller Menschen beschriebe­n?

Ich hätte kein Problem damit, dass jeder die Religion so lebt, wie er möchte. Wenn Traditiona­listen das so tun und Frauen damit kein Problem haben, hab ich auch keines. Aber wenn jemand im Namen des Islam für alle spricht, dann spreche ich auch. Denn Religion gehört niemandem. Diese Menschlich­keit vermisse ich.

Das Buch von Fatma Akay-Türker: „Nur vor Allah werfe ich mich nieder“

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Fatma Akay-Türker: „Ich konnte meine Emanzipati­on nur durch den Koran vervollstä­ndigen.“
BILD: SN/EDITION A/LUKAS BECK SN: Sie haben im Vorjahr die IGGÖ verlassen und die dort herrschend­en patriarcha­len Strukturen kritisiert. Ist das ein allgemeine­s Problem in der muslimisch­en Gesellscha­ft? Fatma Akay-Türker: „Ich konnte meine Emanzipati­on nur durch den Koran vervollstä­ndigen.“

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