Alonso und die Sicht auf die WM von oben
Das Formel-1-Comeback des „Rebellen“Fernando Alonso war bisher nicht einfach. Doch die Leistungskurve soll im Heimrennen steigen.
314 Große Preise. 32 Siege, zwei WM-Titel. Zwei Gesamtsiege in Le Mans, Langstrecken-Weltmeister. Drei durchwachsene Versuche im Indy 500, einer in der Rallye Dakar (13.). Und jetzt wieder Formel 1.
Keine Frage: Wenn sich ein ExChampion nach einer solchen Abenteuerkarriere noch einmal das Haifischbecken Formel 1 antut, lässt das auf „unfinished business“schließen. Und das gibt Fernando Alonso, der knapp vor dem kommenden Ungarn-GP am 29. Juli 40 Jahre alt wird, auch gern zu. Denn der letzte Sieg in der Topklasse ist nun acht Jahre her: Barcelona 2013, damals noch im roten Overall. „Ich habe gute Erinnerungen an Barcelona“, bestätigt Alonso beiläufig.
2013 eroberte er auch den letzten von drei Vizetiteln in vier Jahren bei Ferrari, jeweils hinter Sebastian Vettel im Red Bull. Nun ist „El Nano“, wie ihn seine fanatischen Anhänger vor allem in der Heimat Asturien nennen, zurück, wieder daheim. Auch wenn Barcelona, wo Sonntag (15 MESZ) der vierte Saisonlauf ansteht, und Katalonien für einen Anhänger von Real Madrid eher Feindesland sind – und das internationale Fan-Augenmerk dem erneuten Duell Hamilton vs. Verstappen gelten wird. Alonso ist nun, noch etwas gewöhnungsbedürftig, in Blau unterwegs, wie sein neues Arbeitsgerät, der Alpine aus dem Haus von Renault.
Nach zwei Jahren Auszeit von der Formel 1 wagt Alonso die letzte Corrida. Sentimental, weil er in seinem Team doch einige noch aus seiner Erfolgszeit bei Renault (2003–06, 2008/09) kennt. Rational, weil er unbedingt noch einmal den Erfolg in der Formel 1 sucht und weil ihn der neue Konzernchef von Renault, der Italiener Luca de Meo, unbedingt als Galionsfigur für den Alpine-Neustart brauchte und wollte. Der Rennsportfan erklärte zum Saisonstart: „Ich bat Fernando, uns beim Neuaufbau des Teams zu helfen. Seine Rolle ist eine andere als in seinen früheren Jahren.“Will heißen: Erfahrung einbringen, Leitfigur und Lehrer für Teamkollegen Esteban Ocon sein, die zuletzt „underperformende“Mannschaft voranbringen. Freilich: Ohne die heuer eingeführte Budgetdeckelung von 145 Mill. Dollar hätte de Meo das Projekt Alpine F1 nicht so einfach durchgesetzt. Doch in diesem Budget sind Fahrergagen (wie die des Top-Managements und Marketingausgaben) nicht enthalten. Andernfalls wäre sich Alonsos Gehalt wohl nicht ausgegangen, vielleicht hätte er dann auch nicht gewollt – doch das steht offiziell außer Diskussion.
Die ersten Rennen der jungen Saison waren durchwachsen. Ausfall in Bahrain, Zehnter in Imola, zuletzt Achter in Portimão, also fünf WM-Punkte. Lehrling Ocon, der 24 Jahre und 70 Große Preise jung ist, hat gar schon acht Zähler auf dem Konto. Damit ist Alpine Fünfter der Teamwertung, wie am Ende 2020 Renault.
Die Saison ist noch zu jung, die großen Enttäuschungen sind noch nicht eingetreten, die Alonso früher zu einem gefürchteten Kritiker werden ließen, wie er bei McLaren (zwei Mal) und bei Ferrari bewies. Der sich im Team ins Abseits schießt. Und so war die Aussage nach Platz acht in Portimão eher überraschend: „Ich war angetan von den Fortschritten des A521. Wir waren ab dem ersten Training konkurrenzfähiger als in den ersten beiden Rennen. Und wir kämpften gegen einen Ferrari und einen McLaren, das wäre im Saisonstart undenkbar gewesen.“Der für Technik zuständige Teamdirektor Marcin Budkowski ergänzte: „Gleichauf mit McLaren und Ferrari, so stellen wir uns das vor.“
Der sonst recht eigenwillige Alonso gibt sich vor dem Heimrennen sogar betont sanft: „Nach zwei Jahren weg von der Formel 1 lerne ich mit jeder Runde dazu, fühle mich im Auto immer wohler. Aber ich habe bisher in der Qualifikation nicht meine besten Leistungen gebracht. Das darf mir in Barcelona und danach in Monaco nicht passieren.“Klar, denn auf diesen Strecken ist das Überholen eine Kunst. Folgerichtig meint auch der Lokalmatador: „Der Catalunya-Kurs ist sehr herausfordernd. Einige Punkte mehr wären ein Erfolg.“
Noch ist Señor Fernando bescheiden. Doch niemand zweifelt: Er und Konzernboss de Meo wollen mehr, spätestens 2022 mit komplett neuen Autos Erfolge an der Spitze. Mal abwarten, wie Alonsos Laune bei zunehmendem Druck wird.