Der moderne Napoleon
„Die Frauen sind unser Eigentum. Wir haben alles verdorben, indem wir sie zu gut behandeln. Die Natur hat die Frauen geschaffen, damit sie unsere Sklavinnen sind. Sie sind nichts als ein Mittel zur Erholung von der Arbeit.“
Kann jemand, der so etwas von sich gibt, öffentlich gefeiert werden? Wenn er seit zwei Jahrhunderten tot ist, offenbar schon. Die Rede ist von Napoleon, an dessen 200. Todestag in Frankreich soeben seiner innigst gedacht wurde. In Österreich weniger, obwohl er bekanntlich mit einer hiesigen Kaisertochter verehelicht war. Was er übrigens mit dem sympathischen Satz kommentierte: „Ich habe eine Gebärmutter geheiratet.“
Nun, Napoleons Haltung gegenüber Frauen wirkt heute etwas aus der Zeit gefallen. In anderen Bereichen ist der Lieblingskaiser der Franzosen aber überaus zeitgemäß geblieben. Man könnte ihn sogar den ersten modernen Politiker nennen (was man jetzt als Lob ansehen kann oder auch nicht).
Modern an Napoleon war vor allem, dass er als einer der Ersten die Bedeutung der Medien erkannte. Auf seinen Feldzügen gab er die „Bulletins de la Grande Armée“heraus, in denen er seine Heldentaten verkündete und dabei selbstverständlich log, dass sich die Balken bogen. Quasi „Fake News“.
Berühmt wurde das 29. Bulletin vom Dezember 1812, in dem Napoleon nicht etwa das verheerende Ende seines Feldzugs in Russland meldete, sondern (während er sich verkleidet von seiner sterbenden Armee davonstahl) fröhlich verkünden ließ: „Die Gesundheit Seiner Majestät ist nie besser gewesen.“
Nicht nur im Wort, sondern auch im Bild zeigte sich Napoleon als begnadeter Propagandist in eigener Sache. Am Ende seines Ägyptenfeldzugs ließ er Hunderte todkranke französische Soldaten in einem Pestasyl zurück. Um das zu verschleiern, gab er ein Gemälde mit dem Titel „Napoleon und die Pestkranken in Jaffa“in Auftrag, das danach überall verbreitet wurde und zeigte, wie er sich scheinbar rührend um seine Soldaten kümmerte. – „Alternative Fakten“würde man das heute nennen. Aber so wurde man damals halt zum mächtigsten
Mann der Welt. Damals. Heute ist das ja alles ganz anders.
Auch in seiner Selbstinszenierung wirkte Napoleon überraschend modern (was man jetzt wieder so oder so sehen kann). Er ging auf Zehenspitzen, um größer zu erscheinen. Er verkleidete sich entweder als einfacher Soldat mit zerschlissenem Dreispitz, um als die Einfachheit und Bescheidenheit selbst dazustehen. Oder er präsentierte sich im verschwenderischen Kaiserornat, um das Volk zu beeindrucken.
Und er nahm bei einem berühmten Schauspieler Unterricht, um besser posieren und bei Reden schöner gestikulieren zu können. – Die aktuelle Entsprechung sind Interview-Trainings, die jeder Politiker macht, um zu lernen, wie man viel redet, ohne etwas zu sagen.
Das mit dem Kaiserornat ist heute nicht mehr so im Schwange. Umso mehr das mit der einfachen Kleidung. Wobei man jetzt eher auf Turnschuhe setzt. Oder können Sie sich einen Gesundheitsminister mit Dreispitz vorstellen?
Auch was die Wendigkeit betrifft, wirkt Napoleon im Rückblick ungemein modern. Groß geworden in der Französischen Revolution gegen Monarchie und Adel, setzte er sich dann selbst die Krone auf, versorgte Brüder, Schwäger und sonstige Anverwandte mit Thronen und ernannte während seiner Herrschaft sage und schreibe 1500 Herzöge, Fürsten, Grafen und Barone.
Und wie war er im persönlichen Umgang? Da ist man heute auf Augenzeugenberichte angewiesen. Etwa auf jenen des österreichischen Kaisers Franz, der nach seinem ersten Zusammentreffen mit Napoleon meinte: „Seit i eam gsehn hab, is er mir no unsympathischer.“