Hartgesottene Kraftsportler lassen ihre Muskeln auch während des Lockdowns nicht so leicht schrumpfen.
Noch bis 19. Mai stehen die Spinningräder und Laufbänder in Österreichs Fitnessstudios still. Während viele Gelegenheitsbesucher im Lockdown auf einfachere Übungen mit Alltagsgegenständen umstiegen, war ein Training auf Sparflamme für ambitionierte Kraftsportler keine Option. Immerhin kämpfen sie regelmäßig um Medaillen. Oder sie sind sogar finanziell von ihrem Lieblingssport abhängig.
Eines dieser hoch motivierten Kraftpakete ist Mario Prünster. In seinem Halleiner Fitnessclub „Fit for ever“werden schon länger wieder Gewichte gestemmt, wenn auch nur von wenigen Auserwählten. „Als Mitglieder des Nationalteams dürfen ich und meine Buam unter strengen Auflagen wieder etwas trainieren“, erklärt der
52-Jährige. Seine gut halb so alten „Buam“bilden den harten Kern in seiner Kraftkammer. Sie kommen nicht vorbei, um sich nur fit zu halten oder in Form zu bringen. Sie wollen Rekorde brechen und
Titel holen. Dafür unterwerfen sie sich gerne Prünsters straffen Trainingsplänen und pressen unter seinem strengen Blick auch noch das Letzte aus ihren Körpern heraus.
Die Belohnung für die harte Arbeit holten sie sich zuletzt Ende 2019 bei den Weltmeisterschaften der WUAP (World United Amateur Powerlifting) in Chicago ab. Zu sechst reisten sie damals in die USA, zurück kamen sie mit vier Weltmeistertiteln und zwei Silbermedaillen. „Das war ein Wahnsinnserlebnis für uns alle und hat uns dazu motiviert, uns noch höhere Ziele zu setzen“, erinnert sich Prünster, der als Senior der Truppe mit gutem Beispiel voranging und sich bei bei den über 50-Jährigen zum Weltmeister krönen konnte.
Als dann Corona plötzlich alles infrage stellte, war die Stimmung bei seinen
Schützlingen eindeutig. „Sie sind alle
Feuer und Flamme gewesen, so gut wie es nur irgendwie geht, weiterzumachen“, erklärt Prünster. Aber auch mit der Ausnahmegenehmigung für Spitzensportler ist nur begrenztes Training möglich. „Derzeit können bei mir immer nur zwei Mann gleichzeitig in separaten Räumen arbeiten. So gehen sich aber nur drei Einheiten in der Woche anstatt der sonst üblichen vier bis fünf aus. Zudem fehlen einfach der persönliche Kontakt und das gegenseitige Hochpeitschen.“
Die Auswirkungen davon sind vor allem beim Chef offensichtlich. „Ich habe seit der WM 20 Kilo zugenommen. Bei meinen Buam waren es immerhin zwischen fünf und acht Kilo. Leider mehr Fett als Muskelmasse“, berichtet Prünster. Sobald ab 19. Mai wieder mehr möglich ist, plant er deshalb zwei besonders intensive Trainingswochen. „Das wird eine Art Schocktraining, um den Körper wieder an die Belastung zu gewöhnen.“Mit den für Ende August geplanten Staatsmeisterschaften in Bruck an der Leitha haben die Halleiner auch wieder ein konkretes Ziel vor Augen. Gleich sechs Titel gilt es dort für sie zu verteidigen. „Darauf arbeiten wir natürlich hin. Neue Rekorde sind von uns aber angesichts der Umstände eher keine zu erwarten“, meint Prünster, der wohl diesmal in der allerhöchsten Gewichtsklasse antreten muss. „Die beginnt bei 125 Kilo. Derzeit stehe ich aber bei 143. Da glaube ich nicht, dass sich das noch ausgeht.“
Keine Probleme mit seinem ebenfalls stattlichen Gewicht hat Franz
Müllner. Als „Austrian Rock“muss er seinem Namen ja auch gerecht werden. Auf ein offenes Fitnessstudio ist der Lungauer dabei nicht angewiesen. Er hat sich im Keller seines Tamsweger Domizils auf gut 50 Quadratmetern eine eigene Kraftkammer
eingerichtet, inklusive eines kleinen Wellnessbereichs.
Dass sich Alltagsgegenstände auch hervorragend für Kraftübungen zweckentfremden lassen, war ihm zudem schon vor allen YouTube-Tutorials für Fitness in Zeiten des Lockdowns bewusst. Seit Jahren sammelt er skurrile Weltrekorde, indem er etwa Bratpfannen rollt, Flugzeuge zieht oder Riesenräder dreht. Seit dem Ausbruch der Coronapandemie sind die Möglichkeiten für seine spektakulären Kraftshows jedoch rar geworden. Zumindest konnte er eine lang geplante Aktion in Deutschland durchführen. Bei einem BungeeSprung des Lungauer Rollstuhlfahrers Sepp Wieland von einem 70 Meter hohen Kran hielt er das Seil mit bloßen Händen fest.
Finanziell konnte ihn aber auch das nicht herausreißen. „Mir sind 70 Prozent meiner Sponsoren davongelaufen“, berichtet Müllner. Seine gute Laune lässt er sich dadurch aber keineswegs verderben. „Umso froher bin ich jetzt über meine treuen Partner, die mich weiterhin unterstützen.“Mit ihrer Hilfe konnte er zuletzt sogar auf Fuerteventura an seiner Fitness arbeiten. „Da war ich auch viel mit dem Mountainbike unterwegs. In drei Wochen habe ich dort gut 1600 Kilometer abgespult“, erzählt Müllner. So fühlt er sich auch bereit, mit dem Ende des Lockdowns gleich wieder loszulegen. „Mein nächstes Projekt wäre es, in der Stadt Salzburg mehrere Pferdekutschen 100 Meter weit zu ziehen“, verrät Müllner. „Ich hoffe, dass das schon Ende Mai wieder möglich ist.“Verglichen mit den beiden Schwergewichten Müllner und Prünster ist Sonja Jungreitmayr eine geradezu zarte Person. Die 42-Jährige zählt dennoch zu den stärksten Frauen Österreichs und hat auch im Lockdown nichts von ihrer Fitness eingebüßt. So hat sie unlängst bei den heuer online ausgetragenen österreichischen Meisterschaften im CrossFit den Titel in ihrer Altersklasse verteidigt. Zudem ist sie seit mehreren Jahren als Gewichtheberin erfolgreich und führt als Obfrau sogar ihren eigenen Verein.
In Form gehalten hat sie sich in ihrer CrossFit-Box am Untersberg, die im Lockdown allerdings ein paar Geräte eingebüßt hat. „Ich habe damit angefangen, einige von ihnen zu verleihen. Viele Leute wollen ja trainieren, haben aber nicht das richtige Equipment dafür zu Hause“, erklärt Jungreitmayr. Um ihre Kunden auch in der Coronakrise bei der Stange zu halten, hat sie sich außerdem intensiv der sozialen Medien bedient, um dort Kurse und Trainingstipps zu geben. Und auch ihr Outdoor OpenGym erfreut sich bei zunehmend sommerlichen Temperaturen immer größerer Beliebtheit.
„Als Studiobetreiberin ist der Lockdown für mich natürlich nicht nur finanziell eine große Herausforderung. Auch wenn in der Halle nichts los ist, habe ich viel zu tun“, betont Jungreitmayr. Zumindest hat sie im vergangenen Jahr ein wenig mehr Zeit gefunden, um an ihrer Dissertation über „Training im Alter“zu arbeiten. Als studierte Sportwissenschaftlerin befürchtet sie, dass der Bewegungsmangel besonders für ältere Menschen zum Problem werden könnte. „Die Kollateralschäden sind hier keineswegs zu unterschätzen. Besonders im Alter ist der Abbau bei fehlendem Training enorm“, weiß Jungreitmayr.
Umso mehr freut sie sich, dass am 19. Mai endlich die Sperre der Fitnessstudios zu Ende ist. Trotz aller finanziellen Herausforderungen und Existenzängsten blickt sie zuversichtlich in die Zukunft. „Ich denke halt immer positiv. Eine negative Einstellung bringt einen nicht weiter, harte Arbeit an sich und seinem Körper schon.“