Mit Gesetzen allein gewinnen wir diesen Kampf nicht
Wir alle müssen uns daran beteiligen. Vor allem diejenigen, die Forderungen nach Gleichberechtigung lächerlich finden.
Nach der jüngsten Tötung von zwei Frauen in Wals – es handelt sich um die zehnte und elfte Frau, die heuer in Österreich von einem Partner oder Ex-Partner getötet worden sind – sitzt der Schock tief. Politikerinnen und Politiker bekunden ihr Entsetzen und fordern unterschiedliche Maßnahmen – vom Krisengipfel über den Einsatz von Präventionsbeamten, mehr Fallkonferenzen, schärfere Waffengesetze bis zur elektronischen Fußfessel für Gefährder.
Die Frage, die sich viele stellen: Werden Frauenmorde damit verhindert? Kann man sie überhaupt verhindern? Oder müssen wir uns damit abfinden, dass Frauen von ihren Partnern und Ex-Partnern erstochen, erschossen, erwürgt oder auf eine andere Weise getötet werden? Einfach weil manche Männer nicht gelernt haben, mit Kränkungen umzugehen, und einige von ihnen ihre Rachefantasien dann in die Tat umsetzen? Die Antwort darauf kann nur heißen: Nein. Für alle anderen Fragen gilt: Es wäre schön, gäbe es darauf auch so einfache Antworten.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Fakten: Die Zahl der Morde an Frauen verläuft in Wellenbewegungen
– 2009 wurden in Österreich 21 Frauen ermordet, es folgte ein Anstieg auf 36 Mordfälle (2012), ein Absinken auf 17 (2015), dann wieder ein Anstieg auf 41 (2018). Im Vorjahr wurden 31 Frauen getötet. Statistisch betrachtet haben 40 Prozent der Täter bereits ein Mal ein Betretungsverbot wegen häuslicher Gewalt erhalten, sie sind also amtsbekannt. Die am häufigsten verwendete Tatwaffe ist das Messer – erst an zweiter Stelle kommen Schusswaffen. Das heißt aber nicht, dass man nicht auch an dieser Schraube drehen sollte. Die Zahl der Waffenbesitzer – in großer Überzahl handelt es sich dabei um Männer – ist allein in Salzburg seit Juli 2015 von 14.728 Waffenbesitzern auf 19.298 (1. Mai 2021) gestiegen – eine Zunahme um 31 Prozent. Wir müssen uns fragen, ob wir diese Entwicklung wollen und wozu wir diese Waffen benötigen. Zur Erinnerung: Das Gewaltmonopol liegt in Österreich beim Staat.
1997 war unser Land europaweit das erste, in dem ein Gewaltschutzgesetz in Kraft getreten ist. Seither ist auf dem Gebiet viel passiert. Es gibt niederschwellige Opferschutzeinrichtungen, die sehr gute Arbeit leisten. Das gilt auch für die professionelle Arbeit mit Tätern, die dringend an ihrem Weltbild von Mann und Frau arbeiten wollen und müssen. Diese Arbeit ist zunehmend in den Fokus gerückt – aber sie muss weiter ausgebaut werden. Wir dürfen nicht auf traurige Anlassfälle warten, um dann mehr Ressourcen zu fordern. Diese Mittel müssen bereitstehen – koste es,
Zum Verzweifeln . . .
was es wolle. Braucht es weitere Gesetzesverschärfungen wie die Überwachung mittels elektronischer Fußfessel für Gefährder? Darüber können wir gerne debattieren.
Es gibt aber noch einen anderen Aspekt: Frauen vor gewalttätigen Männern zu schützen ist nicht etwas, das wir der Politik allein überlassen dürfen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung notwendig. Sie fängt bei den Geschlechterrollen an, die wir Buben und Mädchen vermitteln, zeigt sich im Umgang mit dem Thema Gleichberechtigung und reicht bis zu den in manchen Kreisen immer noch salonfähigen frauenfeindlichen Witzen. Kurz gesagt: Wer glaubt, wir können auf Gleichberechtigung verzichten, der bleibt seinen Beitrag zum Schutz für Frauen vor Gewalttätern schuldig. 40 Prozent der Männer, die eine Frau töten, kommen aus einem anderen Kulturkreis, bei der Mehrheit handelt es sich demnach um Einheimische. Es reicht nicht, wenn wir Migranten beim Lernen für den Integrationstest erklären, dass Männer und Frauen in Österreich gleich viel wert sind, wenn das gesamtgesellschaftliche Klima ein anderes ist. Dieses Klima ist es, das Tätern – egal welcher Herkunft – das Gefühl vermittelt, sie dürfen Gewalt ausüben. Die fängt nicht erst bei blauen Flecken, sondern schon lang vorher an. Ein Mann, der seine Partnerin täglich von der Arbeit abholt, ist vielleicht einfach nur besonders zuvorkommend. Vielleicht will er aber auch Macht und Kontrolle ausüben, den Radius der Frau einengen, sie isolieren. Bis sich eine betroffene Frau Hilfe holt, vergehen oft Jahre, manchmal schaffen sie es nie. Denn es kostet Mut, sich einzugestehen, dass man es allein nicht schafft. Das gilt auch für Gewalttäter, die erkennen, dass sie ein Problem haben und damit ohne professionelle Unterstützung nicht zurechtkommen.