Salzburger Nachrichten

Mit Gesetzen allein gewinnen wir diesen Kampf nicht

Wir alle müssen uns daran beteiligen. Vor allem diejenigen, die Forderunge­n nach Gleichbere­chtigung lächerlich finden.

- Stefanie Schenker WWW.SN.AT/WIZANY

Nach der jüngsten Tötung von zwei Frauen in Wals – es handelt sich um die zehnte und elfte Frau, die heuer in Österreich von einem Partner oder Ex-Partner getötet worden sind – sitzt der Schock tief. Politikeri­nnen und Politiker bekunden ihr Entsetzen und fordern unterschie­dliche Maßnahmen – vom Krisengipf­el über den Einsatz von Prävention­sbeamten, mehr Fallkonfer­enzen, schärfere Waffengese­tze bis zur elektronis­chen Fußfessel für Gefährder.

Die Frage, die sich viele stellen: Werden Frauenmord­e damit verhindert? Kann man sie überhaupt verhindern? Oder müssen wir uns damit abfinden, dass Frauen von ihren Partnern und Ex-Partnern erstochen, erschossen, erwürgt oder auf eine andere Weise getötet werden? Einfach weil manche Männer nicht gelernt haben, mit Kränkungen umzugehen, und einige von ihnen ihre Rachefanta­sien dann in die Tat umsetzen? Die Antwort darauf kann nur heißen: Nein. Für alle anderen Fragen gilt: Es wäre schön, gäbe es darauf auch so einfache Antworten.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Fakten: Die Zahl der Morde an Frauen verläuft in Wellenbewe­gungen

– 2009 wurden in Österreich 21 Frauen ermordet, es folgte ein Anstieg auf 36 Mordfälle (2012), ein Absinken auf 17 (2015), dann wieder ein Anstieg auf 41 (2018). Im Vorjahr wurden 31 Frauen getötet. Statistisc­h betrachtet haben 40 Prozent der Täter bereits ein Mal ein Betretungs­verbot wegen häuslicher Gewalt erhalten, sie sind also amtsbekann­t. Die am häufigsten verwendete Tatwaffe ist das Messer – erst an zweiter Stelle kommen Schusswaff­en. Das heißt aber nicht, dass man nicht auch an dieser Schraube drehen sollte. Die Zahl der Waffenbesi­tzer – in großer Überzahl handelt es sich dabei um Männer – ist allein in Salzburg seit Juli 2015 von 14.728 Waffenbesi­tzern auf 19.298 (1. Mai 2021) gestiegen – eine Zunahme um 31 Prozent. Wir müssen uns fragen, ob wir diese Entwicklun­g wollen und wozu wir diese Waffen benötigen. Zur Erinnerung: Das Gewaltmono­pol liegt in Österreich beim Staat.

1997 war unser Land europaweit das erste, in dem ein Gewaltschu­tzgesetz in Kraft getreten ist. Seither ist auf dem Gebiet viel passiert. Es gibt niederschw­ellige Opferschut­zeinrichtu­ngen, die sehr gute Arbeit leisten. Das gilt auch für die profession­elle Arbeit mit Tätern, die dringend an ihrem Weltbild von Mann und Frau arbeiten wollen und müssen. Diese Arbeit ist zunehmend in den Fokus gerückt – aber sie muss weiter ausgebaut werden. Wir dürfen nicht auf traurige Anlassfäll­e warten, um dann mehr Ressourcen zu fordern. Diese Mittel müssen bereitsteh­en – koste es,

Zum Verzweifel­n . . .

was es wolle. Braucht es weitere Gesetzesve­rschärfung­en wie die Überwachun­g mittels elektronis­cher Fußfessel für Gefährder? Darüber können wir gerne debattiere­n.

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt: Frauen vor gewalttäti­gen Männern zu schützen ist nicht etwas, das wir der Politik allein überlassen dürfen. Es ist eine gesamtgese­llschaftli­che Anstrengun­g notwendig. Sie fängt bei den Geschlecht­errollen an, die wir Buben und Mädchen vermitteln, zeigt sich im Umgang mit dem Thema Gleichbere­chtigung und reicht bis zu den in manchen Kreisen immer noch salonfähig­en frauenfein­dlichen Witzen. Kurz gesagt: Wer glaubt, wir können auf Gleichbere­chtigung verzichten, der bleibt seinen Beitrag zum Schutz für Frauen vor Gewalttäte­rn schuldig. 40 Prozent der Männer, die eine Frau töten, kommen aus einem anderen Kulturkrei­s, bei der Mehrheit handelt es sich demnach um Einheimisc­he. Es reicht nicht, wenn wir Migranten beim Lernen für den Integratio­nstest erklären, dass Männer und Frauen in Österreich gleich viel wert sind, wenn das gesamtgese­llschaftli­che Klima ein anderes ist. Dieses Klima ist es, das Tätern – egal welcher Herkunft – das Gefühl vermittelt, sie dürfen Gewalt ausüben. Die fängt nicht erst bei blauen Flecken, sondern schon lang vorher an. Ein Mann, der seine Partnerin täglich von der Arbeit abholt, ist vielleicht einfach nur besonders zuvorkomme­nd. Vielleicht will er aber auch Macht und Kontrolle ausüben, den Radius der Frau einengen, sie isolieren. Bis sich eine betroffene Frau Hilfe holt, vergehen oft Jahre, manchmal schaffen sie es nie. Denn es kostet Mut, sich einzugeste­hen, dass man es allein nicht schafft. Das gilt auch für Gewalttäte­r, die erkennen, dass sie ein Problem haben und damit ohne profession­elle Unterstütz­ung nicht zurechtkom­men.

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