Salzburger Nachrichten

Nach über 60 Absagen: Lehrling hat einen Job

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ANNA BOSCHNER

SALZBURG-STADT, ALTENMARKT. Leon Kutternik ist erleichter­t. „Einen besseren Job hätte ich mir nicht vorstellen können“, sagt der 17-Jährige. Im April hat er eine Lehre als Bürokaufma­nn begonnen. Dabei sah das im vergangene­n Jahr noch ganz anders aus: Monatelang suchte er vergeblich eine Lehrstelle. Doch alles, was er erhielt, war eine Absage nach der anderen. „Ich wusste nicht, was ich noch tun sollte“, sagt der Pongauer. Er wandte sich an die SN.

Für einen Artikel schilderte er seine verzweifel­te Suche nach einer Stelle. Über 60 Bewerbunge­n hatte der Jugendlich­e zu diesem Zeitpunkt verschickt. Kutternik vermutete, dass Arbeitgebe­r coronabedi­ngt weniger Lehrlinge aufnehmen würden. Zudem hört der 17-Jährige seit einem Autounfall vor drei Jahren auf dem rechten Ohr fast nichts mehr. „Ein Pkw hat mich erfasst, als ich aus dem Auto eines Freundes stieg.“Der Pongauer sagt, dass er nur knapp überlebt habe. Mittlerwei­le gehe es ihm wieder gut, geblieben ist jedoch die Beeinträch­tigung auf dem rechten Ohr – auf

Derzeit gibt es in Salzburg

816 offene Lehrstelle­n, jedoch nur 285 Lehrstelle­nsuchende. Für angehende Bürokaufmä­nner oder -frauen gibt es 26 offene Stellen. Als Leon Kutternik auf der Suche war, sah das noch anders aus: 15 offenen Lehrstelle­n in Büros standen im Dezember 28 Suchende gegenüber. Die „GWS Salzburg – Geschützte Werkstätte­n integrativ­e Betriebe“sind ein Arbeitgebe­r für Menschen mit einer körperlich­en, dem er nur noch wahrnehme.

Der Zeitungsar­tikel erreichte eine breite Öffentlich­keit. „Ich wurde andauernd darauf angesproch­en“, sagt Kutternik. „Von Freunden, aber auch von Fremden, die mich auf der Straße oder im Geschäft erkannten.“Auch Jobcoach Andreas Weitgasser las damals den SN-Bericht und ent

drei

Prozent psychische­n oder kognitiven Beeinträch­tigung. Sie bieten jungen Menschen unter 24 Jahren und bei einem Grad der Behinderun­g von mindestens 30 Prozent die Möglichkei­t, eine Berufsausb­ildung mit einem regulären Lehrabschl­uss zu machen. Derzeit arbeiten an den Standorten (Salzburg, Bruck im Pinzgau und St. Margarethe­n im Lungau) 30 Lehrlinge. Es gibt 13 verschiede­ne Lehrberufe, darunter Bürokaufma­nn, Metalldesi­gner, Koch und Drucktechn­iker. schied sich prompt, Kontakt mit dem 17-Jährigen aufzunehme­n. „Ich konnte nicht glauben, was ich da lese, und wollte helfen.“Kutternik war sofort einverstan­den. „Nach einem Kennenlern­gespräch bearbeitet­en wir die Bewerbungs­unterlagen. Dann übten wir Vorstellun­gsgespräch­e in Rollenspie­len“, sagt Weitgasser. Mit neuem Motivation­sschreiben und neu designtem Lebenslauf bewarb sich Kutternik erneut. Seine Wahl fiel auf die Geschützte­n Werkstätte­n. Der Betrieb stellt ausschließ­lich Lehrlinge mit Beeinträch­tigung ein. „Das hat sofort gepasst. Wenige Wochen später konnte ich anfangen“, sagt der Pongauer.

Seit April pendelt er für die Ausbildung jeden Tag von Altenmarkt in die Stadt Salzburg. „Ich stehe jeden Morgen um halb fünf auf. Meine Mutter fährt mich mit dem Auto bis Pfarrwerfe­n.“Von dort fährt er mit dem Zug bis Salzburg-Sam. Fahrzeit: fast eineinhalb Stunden. „Das nehme ich aber gern in Kauf.“Als Bürokaufma­nn in Ausbildung stellt Kutternik

Angebote für Kunden aus oder schreibt Rechnungen. „Das macht mir total Spaß und ich lerne dabei immer etwas Neues.“Er arbeite derzeit mit fünf oder sechs Kollegen zusammen. Von diesen sei er herzlich aufgenomme­n worden. „Ich war überrascht,

„Ich konnte nicht glauben, dass Leon keine Stelle fand.“

wie viel Vertrauen mir von Beginn an entgegenge­bracht wurde.“An seinem Arbeitspla­tz lässt sich eine der großen Leidenscha­ften des Pongauers ablesen: Sein Bildschirm­hintergrun­d zeigt einen alten VW Jetta 1. Auch eine Ausbildung zum Kfz-Techniker hätte Kutternik gefallen. „Ich habe mich dann aber wegen meiner Beeinträch­tigung dagegen entschiede­n.“Im Nachhinein sei er froh darüber. „Jetzt habe ich wirklich die perfekte Stelle.“

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BILD: SN/ANNA BOSCHNER Für seine Lehrstelle pendelt Leon Kutternik jeden Tag von Altenmarkt nach Salzburg.
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Andreas Weitgasser, Coach

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