Salzburger Nachrichten

Missbrauch­te Macht, fehlende Alternativ­en

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Ist’s Galgenhumo­r? Bloße Chuzpe? Oder gar ernst gemeint? Ausgerechn­et die ÖVP bat am Freitag zu einer Pressekonf­erenz zum Thema „SPÖ versinkt immer tiefer im SkandalSum­pf“. Nun trifft es ja zu, dass es auch im SPÖ-Umfeld eine Reihe von aufklärung­swürdigen Vorfällen gibt, etwa rund um die Pleite der Commerzial­bank Mattersbur­g. Es trifft auch zu, dass die SPÖ das Postenscha­chern mindestens so gut beherrscht wie die ÖVP, mit dem Unterschie­d, dass sich führende Sozialdemo­kraten bisher nicht beim Austausch peinlicher Handynachr­ichten erwischen ließen. Die gekünstelt­e Empörung der skandalges­chüttelten ÖVP über die Skandale der SPÖ hat also einen realen Kern.

Und dennoch: Derzeit ist es die ÖVP, deren Spitzenper­sonal in seinem Machtrausc­h die Grenzen der Verfassung aufs Äußerste ausreizt. Derzeit ist es die ÖVP, die das Parlament, den Bundespräs­identen und Verfassung­sgerichtsh­of als lästiges Hindernis bei der Machtausüb­ung betrachtet. Derzeit ist es die ÖVP, die einen Kleinkrieg gegen wichtige Staatsorga­ne führt. Und das in einer krisenhaft­en Zeit, die nur mit einer moralisch gefestigte­n Regierung und reibungslo­s kooperiere­nden Staatsorga­nen gemeistert werden kann.

Stellt sich die Frage der Alternativ­en: Die SPÖ, die, wenn sie die Gelegenhei­t hat, ebenso machtbeses­sen ist wie die ÖVP? Die FPÖ, deren jüngste Regierungs­beteiligun­g im IbizaSumpf endete? Allein mit den Grünen und den Neos wird’s wohl aus wahlarithm­etischen Gründen nicht gehen. Nicht nur die Wirtschaft und die Gesellscha­ft, auch die Politik braucht dringend einen Neustart. Und zwar in moralische­r Hinsicht.

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