Mehr als Blumen!
Mütter lieben das Selbstgebastelte und hadern mit der Verlogenheit am Muttertag. Mutterschaft ist widersprüchlich.
Der Muttertag, wie ihn die Werbeindustrie Jahr für Jahr zelebriert, ist eine reaktionäre Veranstaltung. Jedes Jahr wird damit ein längst überholtes, nicht mehr zeitgemäßes Mutterbild bemüht und immer noch verfestigt. Die aufopfernde Mama, immer noch flankiert von kitschigen Bildern mit Küche, Kuchen, Blühendem.
Meine Großmutter war eine Muttertagsverweigerin. Der einzige Tag, an dem keines der Kinder kommen durfte, war der Muttertag. „Ein Tag Ruhe, das ist mein Muttertag“, hatte sie als Parole ausgegeben. Als Kind konnte ich das nicht verstehen, später als Mama sehr wohl. Zeit für sich ist für Mütter kostbar wie rar.
Es geht nicht darum, die bedingungslose Liebe zu den Kindern zu schmälern oder die Mutterschaft zu bereuen. Mütter freuen sich am Muttertag über selbst gebastelte Fotorahmen, ausgerupfte Wiesenblumen und Frühstück am Bett. Aber all die Verlogenheit, die den Muttertag begleitet, kann einem diesen vergällen.
Mamas sollen alles tun und alles sein. Aus dem Nachwuchs das Beste hervorholen, ihn ohne Wenn und Aber lieben sowieso, fürs traute Heim und die gesamte Familie sorgen, Freundschaften pflegen, dabei zumindest halbwegs gut aussehen und je nach Anschauung anderer erwerbstätig sein oder eben nicht.
Keiner gesellschaftlichen Gruppe gegenüber wagt man so viele Anmaßungen und Übergriffe wie bei Müttern. Das beginnt bei der Schwangerschaft. „Essen Sie eh gesund?“, wird bei der ersten sichtbaren Wölbung des Bauchs gefragt. Es folgen Ratschläge fürs flotte Abnehmen nach der Geburt, Tipps zu brüllenden Kindern im Supermarkt. Dieses Jahr gipfelte alles in unzähligen Anweisungen von Schule, Arbeitgebern und Familienmitgliedern fürs Home-Everything. Mama macht!
Mama macht alles, weil sie in einer schwachen Position ist. Muttersein macht anfällig. Die Kinder stehen im Mittelpunkt, ihr Wohlergehen ist das Wichtigste. Diese Fürsorge ist ein wunderbar schönes, gutes und befriedigendes Gefühl. Es gibt nichts Vergleichbares. Damit es dem Nachwuchs gut geht, nehmen Mamas viel in Kauf – Überlastung, schlechte Bezahlung, Armut, Selbstaufgabe. In extremen Fällen, wie wir sie derzeit erschreckend oft erleben, nutzen Partner diese Schwäche auch aus, um ungehindert zu prügeln oder gar zu töten.
Die Gesellschaft, allen voran die Politiker, nimmt es billigend in Kauf, dass Mütter in diesem Land Nachteile haben, damit es allen anderen gut oder besser geht. Daher muss es zum Muttertag mehr als Blumen geben. Hier also ein paar Forderungen, deren Erfüllung allen Müttern in Österreich und damit auch allen Kindern, Vätern und der Gesellschaft insgesamt ein besseres Leben bescheren würde.
[] Eine Bezahlung für Teilzeitarbeit, von der man gut leben kann und die eine Pension sichert, die nicht in der Armut endet.
[] Genügend öffentliche Verkehrsmittel,
deren Taktung nach den Bedürfnissen von Müttern und Kindern ausgerichtet ist.
[] Breitere Gehsteige, mehr Radwege. [] Dass sich Väter und Mütter Familienarbeit und Erwerbsarbeit gerecht aufteilen (können).
[] Dass Mütter nicht mehr als Risiko in Unternehmen gelten.
[] Ein Zimmer für jede Mama, in das sie sich zurückziehen kann, um ungestört vernünftig denken oder auch nur träumen zu können.
[] Eine gewichtige Lobby für Mütter, mindestens so stark wie die Industriellenvereinigung.
[] Genug Geld für Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen und deren Personal, damit aus ihnen vernünftige, soziale, gut gebildete junge Menschen, die gelernt haben, dass Gewalt kein Mittel zur Problemlösung sein kann, kommen.
[] Laptops für alle Schülerinnen und Schüler sowie Schulen, die für die digitale Welt gerüstet sind.
[] Regelmäßige Freundinnenabende samt gesicherter, kostengünstiger Kinderbetreuung.
[] Genug Kinderbetreuungsplätze. [] Keine (Ab-)Wertung von Müttern, weil sie erwerbstätig sind oder weil sie nicht erwerbstätig sind.
[] Eine familienfreundlichere Gesellschaft, die nicht bei jedem lauteren Gluckser eines Kindes die Augenbrauen hochzieht.
[] Eine Politik, die Müttern genug Zeit für ihre Kinder, ihren Job, gesellschaftliche Arbeit und sich selbst gibt. Denn die Politik schafft die Rahmenbedingungen.
[] Und die Blumen nehmen wir übrigens gern noch dazu!
Mamas sollen alles sein und alles machen