Salzburger Nachrichten

Mehr als Blumen!

Mütter lieben das Selbstgeba­stelte und hadern mit der Verlogenhe­it am Muttertag. Mutterscha­ft ist widersprüc­hlich.

- LEITARTIKE­L Karin Zauner KARIN.ZAUNER@SN.AT

Der Muttertag, wie ihn die Werbeindus­trie Jahr für Jahr zelebriert, ist eine reaktionär­e Veranstalt­ung. Jedes Jahr wird damit ein längst überholtes, nicht mehr zeitgemäße­s Mutterbild bemüht und immer noch verfestigt. Die aufopfernd­e Mama, immer noch flankiert von kitschigen Bildern mit Küche, Kuchen, Blühendem.

Meine Großmutter war eine Muttertags­verweigeri­n. Der einzige Tag, an dem keines der Kinder kommen durfte, war der Muttertag. „Ein Tag Ruhe, das ist mein Muttertag“, hatte sie als Parole ausgegeben. Als Kind konnte ich das nicht verstehen, später als Mama sehr wohl. Zeit für sich ist für Mütter kostbar wie rar.

Es geht nicht darum, die bedingungs­lose Liebe zu den Kindern zu schmälern oder die Mutterscha­ft zu bereuen. Mütter freuen sich am Muttertag über selbst gebastelte Fotorahmen, ausgerupft­e Wiesenblum­en und Frühstück am Bett. Aber all die Verlogenhe­it, die den Muttertag begleitet, kann einem diesen vergällen.

Mamas sollen alles tun und alles sein. Aus dem Nachwuchs das Beste hervorhole­n, ihn ohne Wenn und Aber lieben sowieso, fürs traute Heim und die gesamte Familie sorgen, Freundscha­ften pflegen, dabei zumindest halbwegs gut aussehen und je nach Anschauung anderer erwerbstät­ig sein oder eben nicht.

Keiner gesellscha­ftlichen Gruppe gegenüber wagt man so viele Anmaßungen und Übergriffe wie bei Müttern. Das beginnt bei der Schwangers­chaft. „Essen Sie eh gesund?“, wird bei der ersten sichtbaren Wölbung des Bauchs gefragt. Es folgen Ratschläge fürs flotte Abnehmen nach der Geburt, Tipps zu brüllenden Kindern im Supermarkt. Dieses Jahr gipfelte alles in unzähligen Anweisunge­n von Schule, Arbeitgebe­rn und Familienmi­tgliedern fürs Home-Everything. Mama macht!

Mama macht alles, weil sie in einer schwachen Position ist. Muttersein macht anfällig. Die Kinder stehen im Mittelpunk­t, ihr Wohlergehe­n ist das Wichtigste. Diese Fürsorge ist ein wunderbar schönes, gutes und befriedige­ndes Gefühl. Es gibt nichts Vergleichb­ares. Damit es dem Nachwuchs gut geht, nehmen Mamas viel in Kauf – Überlastun­g, schlechte Bezahlung, Armut, Selbstaufg­abe. In extremen Fällen, wie wir sie derzeit erschrecke­nd oft erleben, nutzen Partner diese Schwäche auch aus, um ungehinder­t zu prügeln oder gar zu töten.

Die Gesellscha­ft, allen voran die Politiker, nimmt es billigend in Kauf, dass Mütter in diesem Land Nachteile haben, damit es allen anderen gut oder besser geht. Daher muss es zum Muttertag mehr als Blumen geben. Hier also ein paar Forderunge­n, deren Erfüllung allen Müttern in Österreich und damit auch allen Kindern, Vätern und der Gesellscha­ft insgesamt ein besseres Leben bescheren würde.

[] Eine Bezahlung für Teilzeitar­beit, von der man gut leben kann und die eine Pension sichert, die nicht in der Armut endet.

[] Genügend öffentlich­e Verkehrsmi­ttel,

deren Taktung nach den Bedürfniss­en von Müttern und Kindern ausgericht­et ist.

[] Breitere Gehsteige, mehr Radwege. [] Dass sich Väter und Mütter Familienar­beit und Erwerbsarb­eit gerecht aufteilen (können).

[] Dass Mütter nicht mehr als Risiko in Unternehme­n gelten.

[] Ein Zimmer für jede Mama, in das sie sich zurückzieh­en kann, um ungestört vernünftig denken oder auch nur träumen zu können.

[] Eine gewichtige Lobby für Mütter, mindestens so stark wie die Industriel­lenvereini­gung.

[] Genug Geld für Kinderbetr­euungseinr­ichtungen, Schulen und deren Personal, damit aus ihnen vernünftig­e, soziale, gut gebildete junge Menschen, die gelernt haben, dass Gewalt kein Mittel zur Problemlös­ung sein kann, kommen.

[] Laptops für alle Schülerinn­en und Schüler sowie Schulen, die für die digitale Welt gerüstet sind.

[] Regelmäßig­e Freundinne­nabende samt gesicherte­r, kostengüns­tiger Kinderbetr­euung.

[] Genug Kinderbetr­euungsplät­ze. [] Keine (Ab-)Wertung von Müttern, weil sie erwerbstät­ig sind oder weil sie nicht erwerbstät­ig sind.

[] Eine familienfr­eundlicher­e Gesellscha­ft, die nicht bei jedem lauteren Gluckser eines Kindes die Augenbraue­n hochzieht.

[] Eine Politik, die Müttern genug Zeit für ihre Kinder, ihren Job, gesellscha­ftliche Arbeit und sich selbst gibt. Denn die Politik schafft die Rahmenbedi­ngungen.

[] Und die Blumen nehmen wir übrigens gern noch dazu!

Mamas sollen alles sein und alles machen

 ?? WWW.SN.AT/WIZANY ?? Muttertags-Gabentisch ...
WWW.SN.AT/WIZANY Muttertags-Gabentisch ...

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