Salzburger Nachrichten

Wo bleibt der kollektive Aufschrei der Männer?

Gewalt an Frauen mag zwar hinter verschloss­enen Türen stattfinde­n, doch das patriarcha­le Weltbild ist überall anzutreffe­n.

- FRAUEN SACHE Katharina Maier WWW.SN.AT/FRAUENSACH­E

Es ist eine zutiefst traurige Zeit für alle Frauen, aber auch für alle Männer in diesem Land. Denn Femizide betreffen uns alle. Innerhalb von vier Monaten wurden elf Frauen getötet. Sie mussten sterben, weil sie Opfer von männlicher Gewalt wurden. In keinem anderen EU-Land werden mehr Frauen als Männer umgebracht. Ein besorgnise­rregendes Alleinstel­lungsmerkm­al. Die große Frage ist nun: Woran liegt das? Die Erklärung, dass hierzuland­e weniger Männer durch Bandenkrim­inalität sterben, ist nur ein Teil der Wahrheit. Es bleibt die Tatsache, dass es inmitten unserer Gesellscha­ft Männer gibt, die Frauen umbringen.

Männliche Gewalt ist eine unsichtbar­e Gefahr, die jede Frau treffen kann. Und ja – vereinzelt leiden auch Männer unter häuslicher Gewalt. Doch letztendli­ch sind es fast ausschließ­lich männliche Täter, die ihre Partnerinn­en, Mütter und Töchter verprügeln, strangulie­ren und töten. Sind Männer also von Grund auf gewaltbere­iter als Frauen? Nein. Gewalt wird gelernt, nicht angeboren.

Das fängt schon im Kindergart­enalter an. Viele Buben lernen immer noch, dass sie mit Gewalt Probleme lösen können. Kein Wunder, wenn sie später in Beziehunge­n zu Gewalt neigen. Mädchen hingegen lernen immer noch, dass sie schön brav und leise bleiben sollen. Kein Wunder, wenn sie sich später nicht aus gewaltvoll­en Beziehunge­n lösen können.

Die Politik will mehr Beratungsa­ngebote für aggressive Männer schaffen. Das ist richtig und wichtig, jedoch wissen die Expertinne­n und Experten aus der Praxis, dass die Männer in der Regel nicht von allein in die Beratung kommen, man muss sie dazu zwingen. Überrasche­nd ist das nicht. Es ist in unserer Gesellscha­ft immer noch verpönt, Schwäche zu zeigen, besonders als Mann. Die Österreich­erinnen und Österreich­er sprechen nicht gerne übers Scheitern, das haben wir noch nie gekonnt. Doch wer nie lernt, mit Misserfolg, Unglück und Zurückweis­ung umzugehen, entwickelt keine Verarbeitu­ngsmechani­smen – die teils fatalen Folgen sind bekannt.

Neben den politische­n Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen braucht es auch die Initiative von jeder und jedem Einzelnen. In den sozialen Netzwerken bringen derzeit vor allem Frauen ihr Entsetzen zum Ausdruck, doch auch ein kollektive­r Aufschrei der Männerwelt wäre hilfreich.

Man kann sich darauf hinausrede­n, dass Gewalt an Frauen vor allem ein Problem von gewissen sozialen oder ethnischen Kreisen ist. Solche Diskussion­en bringen uns jedoch nicht wirklich weiter. Die Gewalt an Frauen mag zwar hinter verschloss­enen Türen stattfinde­n, doch das patriarcha­le Weltbild, das dahinterst­eckt, ist überall anzutreffe­n: in der Schule, im Sportverei­n, am Arbeitspla­tz. Und oft sogar im eigenen Freundeskr­eis.

Es braucht deshalb ein Bündel an Maßnahmen, die auf allen Ebenen ansetzen: bei der Prävention, bei den Strafen, aber vor allem bei grundlegen­den gesellscha­ftlichen Werten.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria