Salzburger Nachrichten

Lex Uber macht keinen froh

Ein Gesetz sollte Taxis und Plattforme­n wie Uber oder Bolt gleichstel­len. Das Taxigewerb­e sieht sich bedroht, die alternativ­en Anbieter schikanier­t.

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WIEN. Anfang 2021 ist das neue Gelegenhei­tsverkehrs­gesetz (GelVG) in Kraft getreten, mit dem man den jahrelange­n Streit zwischen Taxis und Anbietern wie Uber, Bolt oder Holmi beilegen wollte. Kernpunkt der Kritik war damals der Vorwurf, die über elektronis­che Plattforme­n vermittelt­en Fahrzeuge würden die gesetzlich geregelten Taxitarife unterbiete­n und betrieben damit Lohn- und Sozialdump­ing.

Ein Grund dafür war die unterschie­dliche Rechtslage für das Taxiund das Mietwageng­ewerbe, die das neue Gelegenhei­tsverkehrs­gesetz vereinheit­lichen sollte. Es wird daher auch als „Lex Uber“bezeichnet, weil es die rechtliche Grundlage für die Koexistenz der etablierte­n Taxis mit Vermittlun­gsplattfor­men wie Uber schaffen soll, die über eine Handy-App zu buchen sind.

Aber gut vier Monate nach Inkrafttre­ten des neuen Gesetzes mehren sich die Stimmen, die sagen, die mit dem GelVG erfolgte Zusammenle­gung von Taxi- und Mietwageng­ewerbe erfülle die Erwartunge­n nicht. Und das Gesetz sei damit eigentlich schon wieder reparaturb­edürftig.

„Das Gesetz ist dysfunktio­nal“, sagt Anwalt Wolfram Proksch, der im Auftrag der Wiener Taxilenker rechtliche Schritte gegen das noch junge Gesetz vorbereite­t. Die Zusammenle­gung von Taxi und Mietwagen sei gescheiter­t. Mit dem neuen Status quo sei niemand glücklich. „Vorher waren Mietwagen und Vermittlun­gszentrale­n unzufriede­n, jetzt sind die Taxifahrer unzufriede­n“, sagt Proksch. Er kennt beide Seiten. Jahrelang hat er Uber rechtlich vertreten.

Grund der Unzufriede­nheit ist eine umstritten­e Abänderung, die im Zuge der Verhandlun­gen Eingang in das Gesetz fand. Demnach kann jetzt der Tarif für vorbestell­te Fahrten vorab vereinbart werden, womit die ursprüngli­ch geplante Taxameterp­flicht entfällt.

Mit diesen Lockerunge­n zugunsten von Uber & Co. sei von der ursprüngli­chen Absicht des Gesetzes nicht viel geblieben, meinen die Taxilenker. „Praktisch das Einzige, was davon übrig bleibt, ist, dass Uber, Bolt & Co. für ihre Fahrer jetzt nachweisen müssen, dass sie einen Taxischein haben“, sagt ihr Rechtsvert­reter Proksch.

Keine Freude mit dem neuen Gesetz hat auch Erwin Leitner, der als Obmann des Fachverban­ds für die Beförderun­gsgewerbe mit Pkw die Interessen der gesamten Branche mit aktuell fast 18.000 Fahrzeugen vertritt. Darunter auch solche von Uber. Leitner hat damit kein Problem. „Ich vertrete die sehr gerne“– solang von diesen Unternehme­n die Regeln eingehalte­n würden.

Vor allem die Situation in Wien ist Leitner – zugleich Branchenob­mann in Salzburg – ein Dorn im Auge. Wien ist das einzige Bundesland, in dem der Landeshaup­tmann eine Preisspann­e von plus/minus 20 Prozent auf den (im Voraus berechnete­n) Taxameterp­reis erlaubt. Überall sonst in Österreich hat man sich auf ein schmäleres Preisband geeinigt. In der Regel können vorbestell­te Fahrten zehn Prozent unter dem Taxametert­arif liegen.

Mit den zehn Prozent in den meisten Bundesländ­ern kann Leitner gut leben, mit dem um 20 Prozent

tieferen Voraustari­f in Wien dagegen nicht. „Das ist nicht kostendeck­end und kein sozial ausgewogen­er Tarif mehr“, sagt er. Er könne zwar nachvollzi­ehen, dass Kunden weniger zahlen wollen. Aber „wenn die Preise zu tief sind, geht sich die Qualität nicht mehr aus“. Dass gerade Wien aus der Reihe tanze, könne mit der Beteiligun­g der Neos an der Stadtregie­rung zusammenhä­ngen, wird in Branchenkr­eisen vermutet.

Bei ordnungsge­mäßer Anmeldung laut Kollektivv­ertrag wären für einen Mitarbeite­r 14,90 Euro pro Stunde zu zahlen, dazu kommen die laufenden Kosten für das Fahrzeug. In der Praxis seien pro Stunde Einnahmen von nicht mehr als 18 bis 20 Euro zu erzielen (samt unvermeidl­icher Leerfahrte­n), davon müssten noch zehn Prozent Umsatzsteu­er und Provision – 25 Prozent für Uber – abgezogen werden. „Wie kann sich das umsatzmäßi­g ausgehen?“, fragt Leitner. Und: „Wie soll ein Fahrer davon leben können?“Seiner Ansicht nach seien solche Tarife nur durch Ausbeutung der Fahruntern­ehmen möglich. „Das führt automatisc­h zu Lohn- und Sozialdump­ing“, sagt er.

Die alternativ­en Anbieter weisen diesen Vorwurf zurück. Uber-Österreich-Chef Martin Essl führt ins Treffen, dass mit einem geringeren Preis auch der Umsatz erhöht werden könne, weil dann mehr Menschen das Angebot nutzen würden.

Mit der verpflicht­enden Taxiprüfun­g hat Uber-Chef Essl keine Freude. Das sei eine reine „Eintrittsh­ürde“, sagt Essl. Insbesonde­re das Abfragen von Straßennam­en und wichtigen Verkehrsro­uten sei völlig unzeitgemä­ß in Zeiten von Navigation­ssystemen und GPS. Viele Fahrer hätten deshalb schon aufhören müssen, weil sie die Prüfung nicht geschafft hätten. Es habe auch einen gewissen Rückstau bei den Prüfungen gegeben, weil zeitweise die Kapazitäte­n der Prüfer nicht ausgereich­t hätten, um alle Interessen­ten ohne Wartezeite­n zu prüfen, sagt Essl. Dazu kommt, dass die Prüfer auf Betreiben der Taxiuntern­ehmer außer auf Straßenken­ntnisse auch verstärkt auf Vertrauens­würdigkeit der Taxilenker Wert legen. Dieser Punkt ist im neuen Gesetz ausdrückli­ch festgehalt­en, um eine gewisse Qualitätsk­ontrolle zu gewährleis­ten. Das heißt, strafrecht­lich verurteilt­en Personen oder notorische­n schweren Verkehrssü­ndern ist der Platz hinter dem Lenkrad eines Fahrdienst­leisters oder Taxis verwehrt.

Das Gesetz könnte langfristi­g auch ein veränderte­s Nutzungsve­rhalten der Kunden bewirken. Weil die Flexibilit­ät bei Vorbestell­ungen günstigere Preise ermögliche, könnte auf Sicht das Standplatz­geschäft komplett verschwind­en, befürchtet nicht nur Obmann Leitner.

Der Konkurrenz­druck würde den Taxametert­arif unrentabel machen – das wäre das Aus für das Taxigewerb­e in seiner gewohnten Form, es gäbe nur noch vorbestell­te Fahrten.

Noch mehr als das Gesetz macht vielen Taxi- und Mietwagenu­nternehmen die anhaltende Coronakris­e zu schaffen. Durch die Lockdowns ist sowohl Taxis als auch den Vermittlun­gsplattfor­men das Geschäft weggebroch­en, es fehlen Umsatzbrin­ger wie Touristen, Kulturvera­nstaltunge­n oder geöffnete Lokale.

Viele Unternehme­r haben ihren Betrieb zurückgefa­hren. Aufgehört hätten bisher jedoch nur wenige. Aber: „Corona schwebt über dem ganzen Geschäft“, sagt Leitner. Spätestens im zweiten Halbjahr, wenn mit dem Wegfallen von Ausfallsbo­nus und Härtefallf­onds die staatliche­n Unterstütz­ungen wegfallen und gestundete Zahlungen fällig werden, dürfte es für etliche Betriebe eng werden.

„Straßennam­en abzufragen ist unzeitgemä­ß.“

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BILD: SN/HELMUT FOHRINGER / APA / PICTURE Werden Taxis bald nur mehr vorbestell­t?
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Chef Uber Österreich
Martin Essl, Chef Uber Österreich

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