Unbemanntes Schiff legt los
Der Hightech-Trimaran wird diese Woche zur Jungfernfahrt über den Atlantik starten. Der Prototyp soll die Verschmutzung untersuchen, Plastik im Wasser analysieren und Meeressäuger aufspüren.
Selbstfahrende Autos gibt es bereits auf der Straße. Autonom navigierende Schiffe sind hingegen ein Novum: Am 15. Mai soll das Erste seiner Art zur Jungfernfahrt über den Atlantik starten – wenn das Wetter und die britischen Behörden es zulassen.
Noch schaukelt der unbemannte Trimaran – ein Schiff mit drei Rümpfen – sanft in der Bucht von Plymouth vor der britischen Küste. „Mayflower 400“heißt er, in Erinnerung an das Segelschiff, das 1620 die ersten Auswanderer nach Amerika brachte. Mit dem „Mayflower“Segelboot von damals hat das neue Hightechschiff jedoch nur den Namen und die Route gemein.
Statt Passagieren hat der Trimaran jede Menge Technik an Bord, die Rolle des Kapitäns übernimmt künstliche Intelligenz (KI). Auf seiner dreiwöchigen Reise vom britischen Plymouth nach Plymouth an der US-Ostküste soll das mit Sonnenkollektoren und Roboterruder ausgestattete Schiff die Verschmutzung des Meeres untersuchen, Plastik
im Wasser analysieren und Meeressäuger aufspüren.
„Ein Schiff ohne Menschen an Bord ermöglicht Wissenschaftern, ihr Beobachtungsgebiet zu erweitern“, sagt Rosie Lickorish vom ITKonzern IBM, einem der Partner des Projekts. Noch seien 80 Prozent der Unterwasserwelt unerforscht. Dabei hätten die Ozeane den stärksten Einfluss auf das globale Klima, sagt Brett Phaneuf von der Organisation ProMare, der einer der Initiatoren des Projekts ist.
Zahlreiche Technologie- und Dienstleistungsanbieter und Hunderte Menschen aus Ländern wie Indien, der Schweiz und den USA hätten zu dem Projekt beigetragen, sagt Phaneuf. Ohne diese Zusammenarbeit hätte die „Mayflower 400“das Zehnfache der von ProMare investierten rund einen Million Dollar (820.000 Euro) gekostet.
Die Non-Profit-Organisation will die bei der Atlantiküberquerung gesammelten Daten der Wissenschaft kostenlos zur Verfügung stellen. Auch für die kommerzielle Schifffahrt
könnten die Erfahrungen aus dem Projekt nützlich sein.
Die Jungfernfahrt des intelligenten Schiffs musste wegen der Pandemie um Monate verschoben werden. „Auf der Reise wird sich niemand an Bord langweilen, müde oder krank werden. Sie kann also so lang dauern, wie es für die Wissenschaft
nötig ist“, sagt Phaneuf.
Nach einem Jahr Bauzeit war das 15 Meter lange und neun Tonnen schwere Boot fertig. Die Entwicklung des „Smart Captain“, der künstlichen Intelligenz an Bord, dauerte länger. Der Computer musste erst anhand Tausender Fotos lernen, Hindernisse auf dem Meer zu erkennen. Auf See wurde das Schiff darauf trainiert, Zusammenstöße zu vermeiden.
Indem verschiedenste Szenarien durchgespielt würden, lerne das Schiff zwischen sicheren und unsicheren Manövern zu unterscheiden, sagt der Softwareingenieur Ollie Thompson. Bei Fehlern könne es sich selbst korrigieren und dadurch selbstständig dazulernen. Allerdings wurde die „Mayflower 400“noch nicht in rauer See getestet. Bei Simulationen meisterte sie bisher 50 Meter hohe Wellen.
Auch für die wissenschaftlichen Experimente ist die künstliche Intelligenz des Bootes entscheidend. „Es wurde Hunderte Stunden mit Audiodaten darauf trainiert, Meeressäuger zu erkennen“, sagt Lickorish. Nur so könnten Informationen über die Verteilung der Population im offenen Ozean gewonnen werden. Analysen zur chemischen Zusammensetzung des Wassers, Messungen des Meeresspiegels und das Sammeln von Mikroplastikproben gehören ebenso zu den Aufgaben. Obwohl die „Mayflower 400“völlig autonom ihren Weg über den Atlantik finden soll, wird sie ein Team vom Festland aus rund um die Uhr überwachen – um im Notfall Kapitän KI beizustehen.