Gegen Aung San Suu Kyi beginnt ein Schauprozess
Myanmars Generäle wollen die Trägerin des Friedensnobelpreises politisch endgültig ausschalten.
„Sie weiß, was auf sie zukommt“, fasst Anwalt Khin Maung Zaw die Gemütslage von Aung San Suu Kyi zusammen. Viereinhalb Monate, nachdem Myanmars Generäle die De-facto-Regierungschefin und den Präsidenten Win Myint verhaftet haben, beginnt am Montag der Prozess gegen die Friedensnobelpreisträgerin. Fünf Tage vor ihrem 76. Geburtstag muss sich die Tochter des 1947 ermordeten Unabhängigkeitsführers Aung San wegen Vergehen wie dem illegalen Import von Funkgeräten für ihre Leibwächter und Verstößen gegen Coronaregeln verantworten.
Lange als Vorkämpferin der Demokratie verehrt, war Suu Kyi während der vergangenen Jahre bei vielen früheren Verehrern im Westen in Ungnade gefallen, weil sie zur systematischen Verfolgung der moslemischen Rohingya in Myanmar schwieg. Nun wird sie von den Militärs wieder vor Gericht gezerrt und die Welt muss zuschauen.
Ihre Verteidiger durften Aung San Suu Kyi seit dem Putsch bislang nur zwei Mal für je 30 Minuten treffen. Am Montag ist eine weitere, halbstündige Begegnung geplant. „Sie selbst hat uns gesagt: fünf Minuten Vorbereitung für jeden der sechs Anklagepunkte“, sagt ihr Rechtsanwalt Khin Maung Zaw. Bislang ist unklar, ob ab Montag auch der neueste Vorwurf wegen Korruption verhandelt wird. Aung San Suu Kyi, die in der Vergangenheit insgesamt 15 Jahre in Hausarrest festgehalten worden waren, drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Den Sturz im Februar hatten die Generäle mit angeblicher Wahlfälschung gerechtfertigt. Die ihnen nahestehende Partei USDP war bei der Parlamentswahl mit Pauken und Trompeten gegen Aung San Suu Kyis Partei NLD untergegangen.
Jetzt versucht die Tatmadaw, so der Name der Streitkräfte, den Ruf der früheren Ikone des Widerstands gegen die Militärwillkür zu zerschlagen. „Es geht darum, sie als Verräterin und Banditin darzustellen“, glaubt David Mathieson, ein ehemaliger Menschenrechtsaktivist und ausgewiesener MyanmarSpezialist, „glauben wird das wohl kaum jemand.“
Aung San Suu Kyis Rechtsanwälte sind überzeugt, dass die gestürzte Politikerin völlig isoliert wird und deshalb kaum Kenntnisse von den Vorgängen in Myanmar seit dem Putsch besitzt. Das Regime kämpft mehr als ein Vierteljahr nach dem Putsch immer noch darum, das Land unter Kontrolle zu bringen. Obwohl die großen Protestkundgebungen mittlerweile ausbleiben, nachdem die Militärs seit 1. Februar mindestens 800 Menschen getötet und mehr als 3000 verhaftet haben.
Gegenwärtig überleben die Militärs vorwiegend dank ihrer ökonomischen Verbindungen nach China und in einige benachbarte Staaten. Eine Schlüsselrolle spielt das Königreich Thailand. Myanmars Armeechef und frischgebackener Militärdiktator General Min Aung Hlaing titulierte beispielsweise den inzwischen verstorbenen früheren Vorsitzenden von Thailands Kronrat, Prem Tinsulanonda, als „adoptierten Vater“.