Zurück ins Büro – oder doch nicht?
Die Infektionszahlen sinken, mehr Firmen holen Mitarbeiter nun aus dem Homeoffice zurück. Manche machen nun halbe-halbe.
Die Infektionszahlen sinken, mehr Firmen holen Mitarbeiter nun aus dem Homeoffice zurück. Manche machen nun halbe-halbe. Die Hälfte der Zeit ist Anwesenheit gefragt.
SALZBURG. Anfang Juni hat die Salzburger Digitalagentur elements eine 50-Prozent-Quote eingeführt. Sie gilt für die Aufteilung der Arbeitszeit: Maximal die Hälfte der Arbeitszeit können die 140 Mitarbeiter nun daheim arbeiten. Die andere Hälfte der Zeit ist die Anwesenheit im Büro gefragt. Abgestimmt wird das mit der Führungskraft, durchgerechnet wird quartalsweise. Epidemiologisch sei das vertretbar, zumal es schon eine Impfaktion in der Firma gegeben habe. Gerade in einem Kreativberuf sei der persönliche Austausch wichtig. „Wir haben die Leute deshalb zurück aus dem Covid-Schlaf geholt“, scherzt Geschäftsführer Patrick Edelmayr. Denn dass Homeoffice auf Dauer funktioniert, daran hat er keine Zweifel. „Unsere Mitarbeiter sind sehr selbstständig. Sie wissen, wann es Präsenz braucht, und wann es besser ist, unabgelenkt zu Hause zu arbeiten.“
Das war in der Digitalagentur nicht immer so. Vor Corona gab es Teleworking bei elements praktisch nicht. In den vergangenen Monaten habe man aber erlebt, wie gut das funktioniere. „Deshalb ist Homeoffice bei uns gekommen, um zu bleiben, unabhängig von der Pandemie.“Bei der 50-Prozent-Quote habe man sich an den Mitarbeitern orientiert. Bei einer anonymen Befragung hatte sich die Mehrheit für dieses Modell ausgesprochen. „Zehn Prozent unserer Mitarbeiter haben genug vom Homeoffice und wollen gar nicht mehr zu Hause arbeiten. Das müssen sie natürlich auch nicht. Zehn Prozent wollten gar nicht mehr zurück ins Büro, das ist künftig aber nur im Ausnahmefall möglich“, sagt Edelmayr. Denn die Unternehmenskultur leben könne man daheim einfach nicht. Und schließlich wurde auch einiges in den Standort am Gusswerk-Areal investiert: Erst im Vorjahr sei das Büroloft auf 4000 Quadratmeter vergrößert worden, sagt Edelmayr.
Auf hybride Lösungen setzen künftig auch viele große Unternehmen. Facebook-Mitarbeiter können künftig dauerhaft zu Hause arbeiten – oder wenn gewünscht ab Mitte
„Homeoffice ist bei uns gekommen, um zu bleiben – unabhängig von Covid.“
Patrick Edelmayr, elements
Juni zurück ins Büro kommen. In Deutschland will der Siemens-Konzern das Halbe-halbe-Modell einführen. Im Nachbarland, das in der Pandemie eine Homeoffice-Pflicht einführte, wird die Rückkehr ins Büro heftig geführt. Die Regelung läuft Ende Juni aus. Wirtschaftsvertreter forderten lautstark ein früheres Ende. „Wer Biergärten richtigerweise öffnet, darf nicht an der Homeoffice-Pflicht festhalten“, sagte etwa FDP-Fraktionsvize Michael Theurer.
Ein Recht auf Homeoffice gibt es in Österreich nicht. Es gilt aber nach wie vor die Empfehlung der Bundesregierung, wenn möglich auf Homeoffice zu setzen. Diese bleibt bis auf Weiteres bestehen. „Die Pandemie ist noch nicht vorbei. In geschlossenen Räumen gibt es weiterhin eine erhöhte Gefahr von Ansteckungen. Homeoffice, wo möglich, kann hier einen wichtigen Beitrag zur weiteren Entspannung der Infektionslage leisten“, heißt es aus dem Gesundheitsministerium.
Als im vorigen Sommer die Coronazahlen sanken, ging auch die Zahl jener zurück, die Homeoffice nutzten. Laut Statistik Austria arbeiteten im zweiten Quartal 30 Prozent der Österreicher von zu Hause aus. Im dritten Quartal waren es 20 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung wird auch heuer erwartet. „Die Zahlen sind rückläufig. Die sanfte Rückkehr hat eingesetzt“, sagt Arbeitspsychologe Christian Korunka von der Uni Wien. Mehr Unternehmen würden aber systematisch darüber nachdenken, welche Aufgaben langfristig im Homeoffice sinnvoll aufgehoben seien. „Im Idealfall entwickeln Firmen Mischlösungen, die aufgabenorientiert sind.“
Mit der Vermischung von Arbeit und Freizeit gingen die Menschen unterschiedlich um. In der Wissenschaft spricht man von zwei Typen: den „Integrators“, also Integrierenden, und „Separators“, Trennenden. „Für die einen ist es praktisch, am Küchentisch E-Mails zu beantworten. Die anderen legen großen Wert auf die Trennung von Arbeitsplatz und Privatem.“Ob und wie Homeoffice passe, sei auch eine Frage der Familien- und Wohnsituation. „Eine alleinstehende Mutter mit drei Kindern in einer kleinen Wohnung hat andere Voraussetzungen als jemand in einem Haus mit 200 Quadratmetern.“
Wie kann es gelingen, wenn ein Teil der Beschäftigten daheim ist, ein anderer Teil am Arbeitsplatz, und jeder mit einem anderen Modell? Bei Hybridlösungen sei eine gute Führung gefordert, sagt Korunka. „Das ist die Aufgabe der Führungskräfte. Man muss Aufgaben gut verteilen, die Kommunikation organisieren und im Idealfall auch auf unterschiedliche Bedürfnisse eingehen.“Nur noch im Homeoffice zu arbeiten werde die Ausnahme bleiben. Das gelte aber auch für 100 Prozent Büro. „Extremlösungen werden in den Hintergrund treten.“Das sei abhängig von der Unternehmenskultur. „Aber gerade die Generation Y legt mehr Wert auf die Arbeitsqualität als auf ökonomische Aspekte.“Wer Homeoffice verweigere, werde vielleicht keine geeigneten Mitarbeiter finden.
Zum gleichen Ergebnis kommt auch eine PwC-Studie, für die 670 österreichische Jugendliche befragt wurden. Hier wurden flexible Arbeitszeiten und Homeoffice als wichtigste Kriterien genannt, die der ideale Arbeitgeber erfüllen soll. Allerdings: An zweiter Stelle kommt dann doch die Bezahlung.
Der Telekomkonzern A1 befragte jüngst Personalabteilungen zum Thema. Laut der Studie stieg die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter im Homeoffice in der Regel. Hinsichtlich der Produktivität ist das Bild ambivalent: Je ein Viertel der Befragten sprach von einer Verbesserung bzw. Verschlechterung der Arbeitsleistung. 31 Prozent der Unternehmen nutzten Teleworking vor Corona. Aktuell seien es 78 Prozent. Nur vier von zehn Betrieben würden einen Einsatz auch nach der Pandemie planen.
Dass so mancher Arbeitgeber schon die Rückkehr ins Büro angeordnet hat, beobachtet auch Heimo Typplt, Leiter der AK-Rechtsabteilung in Salzburg. „Die Grundhaltung kehrt zurück: Die Pandemie ist vorbei. Da waren wir flexibel, weil es nicht anders ging. Aber jetzt, wo wir uns der Normalität annähern, misstrauen wir dem Ganzen wieder. Die Schrauben werden angezogen“, sagt der Jurist. Das ginge so weit, dass Chefs unangekündigt an der Haustür klingelten und angäben, sich nach dem Befinden erkundigen zu wollen. Andererseits hätten auch viele Firmen nach Inkrafttreten des neuen Homeoffice-Gesetzes Betriebsvereinbarungen abgeschlossen und so die langfristige Basis für flexibles Arbeiten geschaffen.
„Die Zahlen sind rückläufig. Die sanfte Rückkehr hat eingesetzt.“Christian Korunka, Uni Wien