Die USA wollen in Europa den Rücken frei haben
Das westliche Verteidigungsbündnis richtet sich neu aus. Die Europäer werden einen größeren Teil der Last tragen müssen.
Die Sicherheitsgarantie ist wieder da. Die Beistandspflicht sei den USA „heilig“, betonte US-Präsident Joe Biden beim NATO-Gipfel in Brüssel. Das ist ein Stück Normalität nach der irren Trump-Ära.
Amerika lässt Europa nicht im Stich. Doch Europa wird nicht die Hauptrolle spielen. Für die USA sind das aufstrebende China und der pazifische Raum die große Bühne. Und auch die anderen 29 NATO-Staaten, 21 davon Mitglieder der EU, sehen sich mit einem immer machtbewussteren China konfrontiert. Diese Entwicklung wird sich im neuen Konzept der NATO spiegeln, zu dessen Entwicklung in Brüssel der Startschuss fiel. Das gültige stammt aus 2010. Damals dachte man, Russland werde ein Partner. China war eine Randnotiz.
Nun wollen die USA für den großen globalen Wettbewerb mit China den Rücken frei haben. Daher auch die Ansage an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, Washington wünsche „eine berechenbare und stabile“Beziehung. Soll heißen: Der Kreml möge gefälligst seine kriminellen Aktionen von Vergiftung bis Mord und seine Provokationen von Hackerangriffen bis Wahleinmischungen und militärische Abenteuer einstellen.
Wobei Putin und seine Kleptokratie für Joe Biden eher Ärgernis sind als ernst zu nehmende Bedrohung. Für die Europäer ist es etwas ungemütlicher. Russland ist ein ziemlich direkter Nachbar.
Die Botschaft Bidens an Brüssel ist klar. Amerika bietet weiterhin nuklearen Schutz, hält auch seine Präsenz aufrecht, wird aber bis auf Weiteres anderswo hauptbeschäftigt sein. Die Europäer müssen also deutlich mehr Lasten für die eigene Verteidigung übernehmen als bisher – was sie auch bereit sind zu tun. Die Frage ist nur, ob dies ausschließlich im Rahmen der NATO geschieht, wie es die östlichen EU-Staaten befürworten, oder mehr auf eigenen Beinen, wie es vor allem Frankreich fordert.
Wer die EU kennt, weiß die Antwort: sowohl als auch.