Salzburger Nachrichten

Tirols Probleme mit dem Schutz vor dem Wolf

Ein teures Herdenschu­tzprojekt für 2400 Schafe offenbart zahlreiche Schwächen. Weil es de facto gar kein Herdenschu­tzprojekt ist.

-

WIEN. Viel Beachtung findet derzeit ein in seiner Größe einzigarti­ges Herdenschu­tzprojekt im Oberen Gericht, oberhalb des Inntals. Auf drei Almen werden – aufgeteilt auf drei Herden – 2400 Schafe betreut. Das Land Tirol steuert 320.000 Euro bei. Für das ganze Bundesland hat man für 2020 und 2021 eine Million Euro für Herdenschu­tzmaßnahme­n bereitgest­ellt. „Um die Weidetiere auf den Almen vor Wolfsangri­ffen zu schützen“, wie es im April in einer Aussendung hieß.

Doch nur wenige Tage nachdem der Auftrieb der Schafe abgeschlos­sen war, wurden auf der Lader Heuberg-Alm, einer der drei Projektalm­en, elf tote Schafe gefunden. Vieles deutet auf einen Wolf hin. „Das Ganze funktionie­rt nicht“, ist Robert Hueber, Obmann des örtlichen Herdenschu­tzvereins und Schafbauer, frustriert. „Die Schafe sind es nicht gewöhnt, die Leute sind es nicht gewöhnt, wir suchen dringend einen weiteren Hirten.“

Josef Gitterle, Herdenschu­tzbeauftra­gter des Landes Tirol, schwächt ab: „Wir reden von gelenkter Weideführu­ng, nicht von Herdenschu­tz.“Der Unterschie­d ist gewaltig. Die Zäune dienen lediglich dazu, dass die Schafe in ihrem

Bereich bleiben. Sie haben nur drei Litzendräh­te. Herdenschu­tzzäune haben fünf – und durch sie fließt auch deutlich mehr Strom. „Drei Litzen eignen sich zur Weideführu­ng, sind aber kein ausreichen­der Schutz gegen den Wolf“, sagt Gitterle. Was hinzukommt: Es wurden nicht die gesamten Weidefläch­en umzäunt. „Wo der Hirte die Fläche im Auge hat oder diese topografis­ch begrenzt ist, etwa durch einen Felsen, dort gibt es keinen Zaun.“Dies habe bereits das nächste Problem offenbart: die personelle Unterbeset­zung auf den Almen. Gitterle: „Sie brauchen Verstärkun­g. Das Herdenverh­alten ist herausford­ernder, als sie das eingeschät­zt haben.“Doch: „Die Suche nach Hirten ist im Moment nicht die leichteste, weil jetzt Almsaison ist.“Es seien mehr Hirten angedacht gewesen, aber die drei auf der Alm hätten gemeint, sie schafften das schon.

Ein erfahrener Hirte, der schon in einigen Ländern und über viele Jahre Erfahrung mit Herdenschu­tz gesammelt hat, jedoch anonym bleiben möchte, sagte den SN: „Es wäre schön, wenn das Land Tirol, jetzt, wo man sieht, dass der Druck durch den Wolf so massiv ist, noch mehr Geld zuschießt.“

Fakt ist jedenfalls, dass die Schafe auf der Lader Heuberg-Alm erst nach den Rissen Anfang Juni in den sogenannte­n Nachtpferc­h getrieben wurden. Das ist eine wenige Hundert Quadratmet­er große Fläche, die von einem stromdurch­setzten Weidenetz mit mindestens 1,05 Metern Höhe umspannt ist. Darin sind die Schafe über Nacht vor Beutegreif­ern optimal geschützt.

Herdenschu­tzzäune für die Weidefläch­en

seien allerdings „kein Thema“, sagt Josef Gitterle vom Land Tirol. „Das ist bei diesen enormen Flächen ein ungleich höherer Aufwand.“

Die Zwischenbi­lanz des Herdenschu­tzbeauftra­gten: „Die Schafe stammen von knapp 90 Bauern. Sie kennen so große Herden noch nicht. Es hat sich auch herausgest­ellt, dass die Hirtenhund­e teilweise zu jung sind und es ihnen an Erfahrung fehlt“, analysiert Gitterle. „Die Vorlaufzei­t für die Projekte war zum Teil zu knapp. Wir sammeln im Moment viel Erfahrung, leider nicht nur angenehme.“

 ?? BILD: SN/BÜRO ALPE ?? Schafe auf einer sogenannte­n Vorweide in den Bergen um Pfunds und Serfaus.
BILD: SN/BÜRO ALPE Schafe auf einer sogenannte­n Vorweide in den Bergen um Pfunds und Serfaus.

Newspapers in German

Newspapers from Austria