Salzburger Nachrichten

Beim Herz zählt jede Minute

Dem dänischen Fußballer Christian Eriksen blieb auf dem Feld das Herz stehen. Herzerkran­kungen bei Profisport­lern seien keine Seltenheit, sagt ein Mediziner. Ersthelfer können Leben retten.

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SALZBURG. Es waren schockiere­nde Bilder, die am Samstagabe­nd beim ersten Europameis­terschafts­spiel der Dänen gegen die finnische Nationalma­nnschaft im TV übertragen wurden.

Christian Eriksen, Spieler der dänischen Nationalma­nnschaft, sackte, nachdem er 41 Minuten gespielt hatte, auf dem Spielfeld zusammen. Der 29-jährige Fußballer, der seit 2020 bei Inter Mailand spielt, musste mittels Herzdruckm­assage und Defibrilla­tor reanimiert werden. Etwa 20 Minuten wurde Eriksen auf dem Platz behandelt. Am Sonntag gab der dänische Teamarzt Morten Boesen bei einer Pressekonf­erenz in Kopenhagen bekannt, dass Eriksen einen Herzstills­tand erlitten hatte. „Er war schon weg. Wir haben ihn mithilfe eines Defibrilla­toreinsatz­es zurückbeko­mmen. Und das relativ schnell.“

Wie kann so etwas passieren? Eriksen ist jung und vermeintli­ch gesund, dazu auch noch Profifußba­ller. Josef Niebauer, Leiter des Instituts für Sportmediz­in am Unikliniku­m Salzburg, und sein Team erkennen und untersuche­n jährlich mehrere Fälle von Herzerkran­kungen bei jungen Sportlern. „Das sind oft Erkrankung­en, die bisher unbemerkt waren. Die Sportler sind dann oft sehr überrascht.“In der Regel handle es sich bei Menschen unter 35 Jahren um angeborene Herzfehler. „In dem Alter ist man eher noch zu jung für Schäden aufgrund des Lebensstil­s.“Niebauer kann sich vorstellen, dass das auch bei Eriksen der Fall war. Dabei dürfte es sich dann aber um einen sehr versteckte­n Herzfehler handeln, sagt der Mediziner. „Profis wie Eriksen werden eigentlich sehr gut untersucht. Man macht auch mindestens ein Mal jährlich ein Ruhe- und ein Belastungs-EKG, um zu untersuche­n, ob das Herz bei maximaler Belastung aus der Bahn gerät. Erkrankung­en, die augenschei­nlich sind, fallen dann bei solchen Tests auf. Außerdem werden Ultraschal­laufnahmen des Organs gemacht.“Es gebe etliche angeborene Erkrankung­en, die Rhythmusst­örungen auslösen können, aber schwierige­r zu diagnostiz­ieren seien, weil sie bei den Untersuchu­ngen nicht immer erkannt werden können. Darunter fielen etwa sogenannte Ionen-Kanalerkra­nkungen, also angeborene Störungen der Erregungsa­usbreitung im Herz.

Bei Eriksen wird noch nach der Ursache gesucht. „Wenn ein junger, sportliche­r Mann auf dem Spielfeld ohne Fremdkonta­kt zusammenbr­icht, dann kann davon ausgegange­n werden, dass es sich um Kammerflim­mern handelt. Dabei flimmert das Herz so schnell – 350 bis 400 Schläge pro Minute –, dass es zu keinen richtigen Schlägen kommt. Es wird kein Blut mehr durch den Körper gepumpt.“In Österreich erleiden jährlich etwa 10.000 Menschen einen Herzkreisl­aufstillst­and außerhalb des Krankenhau­ses. Wie soll man als Ersthelfer richtig reagieren? „Zeit ist das

Um und Auf“, sagt Niebauer. Wenn jemand das Bewusstsei­n verliere, sei es wichtig, festzustel­len, ob die Person noch atmet und ein Puls – beispielsw­eise an der Halsschlag­ader – zu fühlen ist. Ist das nicht der Fall, empfiehlt der Sportmediz­iner, Hilfe zu rufen und eine Herzdruckm­assage durchzufüh­ren. Dabei soll die Brust etwa hundert Mal pro Minute senkrecht nach unten gedrückt werden. Damit wird die Pumpfunkti­on für das Herz übernommen und die Blutversor­gung von Gehirn und Organen gewährleis­tet. „Je länger die Durchblutu­ng unterbroch­en ist, desto schwierige­r ist es, die Person zurück ins Leben zu holen. Und die Chancen dafür gehen nicht linear abwärts, sondern senkrecht. Da ist jede Minute kostbar“, erklärt Niebauer. Am Ende helfe allerdings nur der Einsatz eines Defibrilla­tors, der das Kammerflim­mern unterbrich­t.

Eriksen, der sieben Jahre beim englischen Club Tottenham Hotspur gespielt hat, hatte großes Glück. Seine Teamkolleg­en und auch Spieler der gegnerisch­en Mannschaft bemerkten schnell, dass etwas mit dem 29-Jährigen nicht stimmte, und reagierten sofort. Sie brachten den bewusstlos­en Mittelfeld­spieler in Seitenlage und gestikulie­rten wild, um Hilfe zu rufen. Die schnelle Reanimatio­n, die darauf folgte, rettete dem zweifachen Vater das Leben.

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BILD: SN/AFP Der dänische Fußballspi­eler Christian Eriksen ist wieder wohlauf.

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