Dauergast Blümel entschlug sich Dutzende Male
Finanzminister Blümel beschrieb am Donnerstag im U-Ausschuss wiederholt „repetitive Prozesse“bei der Aktenlieferung und übte sich im repetitiven Prozess der Aussageentschlagung.
Beim dritten Auftritt als Auskunftsperson im Ibiza-U-Ausschuss kritisierte Finanzminister Gernot Blümel mangelnde Wahrung von Persönlichkeitsrechten und Skandalisierung durch manche Abgeordnete. In der Folge entschlug er sich wegen laufender Ermittlungen bei Dutzenden heiklen Fragen einer Aussage. Vor der Befragung hatte das Straflandesgericht Wien den Auftrag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen erhalten, im Finanzministerium zu prüfen, ob alle erforderlichen Akten an den U-Ausschuss geliefert wurden. Eine Richterin wird die heikle Aufgabe übernehmen.
WIEN. Unweit der Nationalbibliothek, in deren Räumlichkeiten der Ibiza-U-Ausschuss tagt, wird gewarnt: „Begehen auf eigene Gefahr.“Was Passanten vor dem Betreten einer Baustelle warnen soll, kann auch als Warnung für manche Auskunftsperson im U-Ausschuss verstanden werden. Denn zum Finale hin könnte der U-Ausschuss zur Ibiza-Affäre so manchen Politiker gehörig unter Druck setzen. Aktuell ist Finanzminister Gernot Blümel im Visier der Oppositionsparteien.Der Grund dafür ist an einem Nebenschauplatz des Ausschusses zu finden, der sich immer mehr zur handfesten Staatsaffäre auswächst: Der Streit zwischen Blümel und Opposition um Aktenlieferungen. Vom Ergebnis der vom Bundespräsidenten beauftragten Aktenexekution im Finanzministerium hängt viel ab – für eine immer noch mögliche Verlängerung des U-Ausschusses und wohl auch für die politische Zukunft des Finanzministers.
Dieser kam wohlvorbereitet in den Ausschuss und warf den Abgeordneten im Eingangsstatement vor, den Ausschuss, den er als „wichtiges Instrument zur Aufklärung“schätze, abgewertet zu haben. Blümel kritisierte die mangelnde Wahrung von Persönlichkeitsrechten und Datenschutz im Ausschuss und dass manche Abgeordneten mit Strafanzeigen Politik machten und zudem Falschinformationen über nachweislich gelieferte Akten an die Medien gaben.
Das sich bei seinem ersten Ausschussauftritt im Vorjahr massiv wiederholende Auftreten von Erinnerungslücken – gezählten 86 – wollte sich Blümel nicht mehr leisten. Er leistete sich stattdessen Dutzende Male den Verweis auf §43 Absatz 1, Ziffer 1 der Ausschuss-Verfahrensordnung, der ein Entschlagungsrecht wegen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung festschreibt. Dies stellt freilich – auch wenn die Opposition es wiederholt so darzustellen versuchte – keinerlei Schuldeingeständnis dar, sondern ist ein Grundrecht, da man sich einerseits im Strafverfahren nicht selbst belasten muss, vor dem Ausschuss aber Wahrheitspflicht besteht und man damit auch im Strafverfahren schlechtergestellt wäre. Einmal mehr offenbarte sich damit das Grunddilemma in einem parallel zu strafrechtlichen Anzeigen oder Ermittlungen laufenden U-Ausschuss. Quälende Geschäftsordnungsdebatten über Fragen und Entschlagungen waren auch diesmal an der Tagesordnung.
Blümel entschlug sich auf breiter Basis: Von Aussagen zu den „Du schuldest mir was“-Chats zwischen dem früheren Außenminister Sebastian Kurz und Thomas Schmid über Fragen zu einem NovomaticSponsoring eines ÖVP-Stadtfestes oder dazu, ob sich Minister Wohlwollen durch üppige Medienbudgets erkauften, bis zur Frage, ob es eine Weisung von ihm im Zusammenhang mit der Aktenlieferung gegeben habe. Blümels steter Verweis auf das Aussageverweigerungsrecht blieb diesmal nicht das einzige sich wiederholende Element. Als nach drei Stunden ein Parteifreund Blümel aufforderte, noch einmal ganz grundsätzlich die Aktenlieferungen zu schildern, tat Blümel das, was er zuvor schon ein halbes Dutzend Mal getan hatte, und schilderte erneut, was er stets als „repetitive Prozesse“im Ministerium darstellte: Die Mitarbeiter entschieden demnach stets selbst, ob die Akten vom Untersuchungsauftrag umfasst seien, unterschrieben Vollständigkeitserklärungen und entschieden über die Geheimhaltungsstufe. „Es ist nicht so, dass der Minister durchs Haus geht und die Mails selbst zusammensucht.“
Nach fünf Stunden Befragung Blümels gab Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) den Vorsitz ab und trat zum zweiten Mal als Auskunftsperson an. Die Geschäftsordnungsdebatten blieben. Sobotka gab an, von der Hausdurchsuchung bei Blümel erst über die Medien erfahren zu haben. Acht Sprachanrufe zwischen ihm und dem suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek in zeitlicher Nähe dazu seien „privater Natur“gewesen. Einen möglichen Amtsgeheimnisverrat schloss Sobotka aus.