Salzburger Nachrichten

Da fehlt noch einiges an Aufklärung

Soll der Finanzmini­ster zurücktret­en? Soll der U-Ausschuss in den Herbst hinein verlängert werden? Versuch einer Einordnung.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Den Opposition­svertreter­n im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss gehe es nicht um Aufklärung, sondern ausschließ­lich um Skandalisi­erung. Dies hielt Finanzmini­ster Gernot Blümel – Motto: Angriff ist die beste Verteidigu­ng – am Donnerstag den ihn befragende­n Mandataren im U-Ausschuss vor. Und man muss sagen, dass der unter Druck geratene türkise Minister damit nicht ganz unrecht hat.

Und dennoch: Dass nun der Bundespräs­ident dem Finanzmini­ster eine Richterin ins Haus schicken muss, um nachzusehe­n, ob Blümel tatsächlic­h wie von der Opposition verlangt und vom Verfassung­sgerichtsh­of aufgetrage­n alle relevanten Akten an den Ausschuss geliefert hat, ist ein in verfassung­srechtlich­er Hinsicht starkes Stück. Mag sein, dass Blümel diesbezügl­ich eine weiße Weste hat und Van der Bellens Exekutorin keine versteckte­n Akten auffindet. Dann war das Ganze nichts weiter als eine von der Opposition inszeniert­e künstliche Aufregung. Sollte sich das Gegenteil herausstel­len und die von Van der Bellen beauftragt­e Exekutorin auf bisher nicht übermittel­te Aktenbestä­nde stoßen, ist Blümel hingegen rücktritts­reif. Denn ein Minister hat das Parlament nicht an der Nase herumzufüh­ren. Das gilt auch für den parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss.

Und es gilt auch für den Fall, dass man die von Krisper, Krainer und Co. im Ausschuss angewandte­n Methoden nicht unbedingt goutiert. Vor allem die üble Praxis, nach vermeintli­ch oder tatsächlic­h widersprüc­hlichen Zeugenauss­agen sogleich zum Staatsanwa­lt zu eilen, um den Zeugen, kaum dass sie das Ausschussl­okal verlassen haben, Ermittlung­en wegen Falschauss­age umzuhängen, ist einem gedeihlich­en Aufklärung­sklima nicht dienlich.

Und dennoch ist die Forderung zu erheben: Sollten, was zu erwarten ist, die Recherchen der vom Bundespräs­identen beauftragt­en Richterin in den Aktenberge­n des Finanzmini­steriums über den 15. Juli hinaus andauern, so muss der Untersuchu­ngsausschu­ss jedenfalls in den Herbst hinein verlängert werden. Es wäre eine Verhöhnung des Bundespräs­identen, des Verfassung­sgerichtsh­ofs, des mit der Exekution beauftragt­en Wiener Straflande­sgerichts und der Bürgerinne­n und Bürger, würden ÖVP und Grüne, wie geplant, den Ausschuss mit Beginn des politische­n Sommers abdrehen. Dies auch im Lichte des Umstands, dass der Ausschuss die Chats des seinerzeit­igen Vizekanzle­rs Strache, der die Ibiza-Affäre erst ausgelöst hat, noch gar nicht sichten konnte. Es fehlt also noch einiges an Aufklärung.

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