Da fehlt noch einiges an Aufklärung
Soll der Finanzminister zurücktreten? Soll der U-Ausschuss in den Herbst hinein verlängert werden? Versuch einer Einordnung.
Den Oppositionsvertretern im Ibiza-Untersuchungsausschuss gehe es nicht um Aufklärung, sondern ausschließlich um Skandalisierung. Dies hielt Finanzminister Gernot Blümel – Motto: Angriff ist die beste Verteidigung – am Donnerstag den ihn befragenden Mandataren im U-Ausschuss vor. Und man muss sagen, dass der unter Druck geratene türkise Minister damit nicht ganz unrecht hat.
Und dennoch: Dass nun der Bundespräsident dem Finanzminister eine Richterin ins Haus schicken muss, um nachzusehen, ob Blümel tatsächlich wie von der Opposition verlangt und vom Verfassungsgerichtshof aufgetragen alle relevanten Akten an den Ausschuss geliefert hat, ist ein in verfassungsrechtlicher Hinsicht starkes Stück. Mag sein, dass Blümel diesbezüglich eine weiße Weste hat und Van der Bellens Exekutorin keine versteckten Akten auffindet. Dann war das Ganze nichts weiter als eine von der Opposition inszenierte künstliche Aufregung. Sollte sich das Gegenteil herausstellen und die von Van der Bellen beauftragte Exekutorin auf bisher nicht übermittelte Aktenbestände stoßen, ist Blümel hingegen rücktrittsreif. Denn ein Minister hat das Parlament nicht an der Nase herumzuführen. Das gilt auch für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Und es gilt auch für den Fall, dass man die von Krisper, Krainer und Co. im Ausschuss angewandten Methoden nicht unbedingt goutiert. Vor allem die üble Praxis, nach vermeintlich oder tatsächlich widersprüchlichen Zeugenaussagen sogleich zum Staatsanwalt zu eilen, um den Zeugen, kaum dass sie das Ausschusslokal verlassen haben, Ermittlungen wegen Falschaussage umzuhängen, ist einem gedeihlichen Aufklärungsklima nicht dienlich.
Und dennoch ist die Forderung zu erheben: Sollten, was zu erwarten ist, die Recherchen der vom Bundespräsidenten beauftragten Richterin in den Aktenbergen des Finanzministeriums über den 15. Juli hinaus andauern, so muss der Untersuchungsausschuss jedenfalls in den Herbst hinein verlängert werden. Es wäre eine Verhöhnung des Bundespräsidenten, des Verfassungsgerichtshofs, des mit der Exekution beauftragten Wiener Straflandesgerichts und der Bürgerinnen und Bürger, würden ÖVP und Grüne, wie geplant, den Ausschuss mit Beginn des politischen Sommers abdrehen. Dies auch im Lichte des Umstands, dass der Ausschuss die Chats des seinerzeitigen Vizekanzlers Strache, der die Ibiza-Affäre erst ausgelöst hat, noch gar nicht sichten konnte. Es fehlt also noch einiges an Aufklärung.