Salzburger Nachrichten

Neue Generation gibt Hoffnung auf Versöhnung

Seit 30 Jahren sind Slowenien und Kroatien unabhängig. Der Nationalis­mus ist noch präsent – aber es gibt Umbrüche.

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SALZBURG. Als sich am 25. Juni 1991 die beiden jugoslawis­chen Teilrepubl­iken Slowenien und Kroatien für unabhängig erklärten, war die Freude groß – aber von kurzer Dauer. Zwei Tage später rollten Panzer der jugoslawis­chen Volksarmee über die neu geschaffen­en Grenzen. Wie haben sich Slowenien und Kroatien – beide sind mittlerwei­le in der EU – seither entwickelt?

Slowenien gilt als Musterschü­ler unter den Ländern Ex-Jugoslawie­ns. „Das Land hat sich in den vergangene­n 30 Jahren schnell in Richtung Demokratie und Marktwirts­chaft entwickelt“, sagt Politologe Vedran Džihić. Ein Motivation­sfaktor

war der EU-Beitritt 2004. Ab Juli wird Slowenien die Ratspräsid­entschaft zum zweiten Mal übernehmen. Also alles bestens? Nicht ganz.

Der Unabhängig­keitstag wird in Ljubljana unterschie­dlich begangen. Die Regierung veranstalt­et auf dem Platz der Republik eine Staatsfeie­r. Nur 500 Meter entfernt, auf dem Prešeren-Platz, wird zu einer Demonstrat­ion gegen die Regierung geladen. Laut einer aktuellen Umfrage sind 70 Prozent der Slowenen mit ihrer Regierung unzufriede­n.

Der Protest richtet sich gegen den autoritär regierende­n Premier Janez Janša. Er beschimpft Journalist­en, übt Druck auf die Justiz aus und verfolgt eine rechte Agenda. „Er verschiebt den Diskurs in Richtung einer Polarisier­ung: Wir sind die Guten – die anderen die Bösen“, sagt Džihić vom Institut für Internatio­nale Politik (OIIP). „Das fügt einer Demokratie Schaden zu.“

Der Glanz von Janša, der 1991 eine wichtige Rolle im Widerstand gegen die jugoslawis­che Volksarmee spielte, ist verblasst. „Die Phase mit Janša ist nur eine Störung“, sagt Džihić. Er ist überzeugt: Nach dem Superwahlj­ahr 2022 – es werden das Parlament, der Staatspräs­ident und die Lokalbehör­den neu gewählt – sei Janša Geschichte. „Slowenien ist zu einer starken Demokratie gereift“, so der Politologe.

Der Prozess der Demokratis­ierung dauerte in Kroatien länger. Das lag zum einen am Krieg, zum anderen an dem damaligen Präsidente­n Franjo Tuđman, den viele Kroaten noch heute als „Vater der Nation“feiern: „Diese Mischung aus nationalem Stolz und autoritäre­m Herrschaft­sstil hat dazu geführt, dass die Demokratis­ierung verspätet begann“, sagt Džihić. Nämlich erst nach dem Tod Tuđmans 1999. Die nationale Identität, die er befeuert hatte, war nur schwer mit einer europäisch­en vereinbar. „Das Gefühl des Europäer-Seins hat in Kroatien keine Wurzeln geschlagen“, sagt Džihić – und das obwohl

Kroatien seit 2013 EU-Mitglied ist.

Es gebe aber Bewegungen, die einen Wandel in Kroatiens Politik ankündigen. So wurde Ende Mai Tomislav Tomašević von der grün-linken Partei Možemo (übersetzt: „Wir schaffen das“) Bürgermeis­ter von Kroatiens Hauptstadt Zagreb. Den Politikern von Možemo geht es darum, mit alten Seilschaft­en und der Korruption, vor allem durch die Regierungs­partei HDZ, aufzuräume­n.

„In der kroatische­n Politik hat ein Generation­enwechsel stattgefun­den“, meint Džihić. Das bietet eine Chance: Zwischen Kroatien und Serbien hat sich bislang keine Versöhnung angebahnt. Dazu brauche es, so der Politologe, einen neuen Dialog – und eine neue Generation.

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