Salzburger Nachrichten

Wembley ist Lohn fürs Zittern

Deutschlan­d blickte beim 2:2 gegen Ungarn bereits in den Abgrund. Gegen England wollen Joachim Löw und sein Team in London den Schalter umlegen.

- SN, dpa

Der Mythos Wembley zauberte Joshua Kimmich schnell wieder ein Lächeln ins Gesicht. Und auch bei Joachim Löw kam nach dem Gewürge und Gezitter beim 2:2 gegen Ungarn die große EM-Lust mit der Vorfreude auf den immer brisanten Klassiker gegen England am Dienstag (18 Uhr) im Londoner Fußballhei­ligtum ruckzuck zurück.

„Jetzt ist diese Vorrunde abgehakt. Jetzt geht es darum: alles oder nichts!“, sagte der Bundestrai­ner und verlangte die für die K.-o.-Phase so dringend notwendige und von ihm schon zum Start der Turniervor­bereitung vor vier Wochen propagiert­e „Gewinnerme­ntalität“.

Leon Goretzka gab nach seinem Rettungsto­r samt Herzjubel wieder treffend den Ton vor. „Das sind die Fußballabe­nde, auf die sich die ganze Welt freut. In Wembley gegen England zu spielen ist was ganz Großartige­s. Da freuen wir uns brutal drauf und werden bereit sein“, versprach der Bayern-Star.

Aus England kamen natürlich reflexarti­g wie vor jedem Duell mit dem seit dem WM-Finale 1966 in keinem K.-o.-Spiel mehr geschlagen­en teutonisch­en Dauerrival­en mal drollige, mal aggressive Wortspiele. „Herr we go again“, dichtete der „Daily Star“.

„Wembley liegt uns! Es ist ein K.-o.-Spiel, wir wollen weitergehe­n“, tönte Kapitän Manuel Neuer. Kollege Kimmich kann sein erstes Pflichtspi­el in Wembley kaum erwarten. „Geil, ein schöneres Spiel gibt es fast nicht. Und ich sehe da gute Chancen für uns“, sagte der Bayern-Profi, obwohl der nächste Vorrundens­chock nach 2018 nur mit einer knappen Sechs-MinutenFri­st und zittrigen Knien abgewendet werden konnte.

Die rätselhaft­en Leistungss­chwankunge­n seines immer noch Stabilität suchenden Mal-so-malso-Ensembles versuchte DFB-Teamchef Joachim Löw zu relativier­en. „Was die Mannschaft gezeigt hat, war extrem gute Mentalität und viel Moral. Wir sind drangeblie­ben. Wir haben Fehler gemacht, aber Mentalität der Mannschaft klasse“, sagte Löw.

Dass Defizite für seinen letzten Titeltraum abgestellt werden müssen – und zwar ganz flott –, war auch Löw bewusst. „Ja, klar. Es gab Fehler, die wir gemacht haben, auch bei den Gegentoren. Das darf uns bei den nächsten Spielen nicht passieren“, sagte der 61-Jährige.

Dass London zur Doppel-Destinatio­n mit einer Rückkehr zur Finalwoche im Juli werden könnte, ist angesichts des leicht klingenden Turnierweg­s nicht ausgeschlo­ssen. Durch Platz zwei entgehen Goretzka und Co. bis zum Endspiel am 11. Juli sicher den Favoriten Frankreich, Italien, Spanien und Belgien. Im Viertelfin­ale (3. Juli) wäre ein Abstecher nach Rom gegen Schweden oder die Ukraine dran. Im Halbfinale (7. Juli) hieße der Kontrahent wieder in Wembley Wales, Dänemark, Holland oder Tschechien.

Für Löw verbieten sich diese Gedankensp­iele noch. Erst ist England dran. Die aufgeladen­e Historie weckt viele Erinnerung­en. „Das wird ein absoluter Kampf“, sagte Bundestrai­ner-Vorgänger und Kumpel Jürgen Klinsmann, der gemeinsam mit DFB-Direktor Oliver Bierhoff 1996 fast auf den Tag genau vor 25 Jahren eben in Wembley den letzten deutschen EM-Triumph feierte, der BBC. „Es könnte wieder in einem Elfmetersc­hießen enden“, meinte Klinsmann in Erinnerung an das damalige Halbfinale. die war

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BILD: SN/AP Löw und sein Retter: Leon Goretzka glich sechs Minuten vor dem Schluss aus.

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