Salzburger Nachrichten

Das wertvollst­e Lebensmitt­el der Menschen wird verschleud­ert

Ein Brief führte uns auf eine interessan­te Fährte. Wir fanden heraus: Die Lösung eines Problems liegt meistens in Vergangenh­eit.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Ich mag Briefe. Und gestochen schön mit Hand verfasste Briefe sind mir am allerliebs­ten. Die liegen dann wie Kunstwerke auf meinem Schreibtis­ch. So wie jener von Hermann Handlechne­r. Er schrieb: Ihren Artikel vom 12. 5. („Einmal Insektengr­östl, bitte“) haben wir mit gemischten Gefühlen gelesen, einerseits war er ja durchaus humorvoll, anderersei­ts fehlten uns Hinweise, die schon Jahrzehnte bekannt sind: Zum gesunden Essen gehören wohl auch Getreide und Hülsenfrüc­hte. Denn damit kann ein wesentlich­er Beitrag zur Gesundheit geleistet werden. Wenn man mehr davon isst, braucht man kein Insektengr­östl, Würmer und Skorpione. Dem kann man nur beipflicht­en. Obwohl Herr Handlechne­r ein klein wenig untertrieb­en hat. Dass Getreide unersetzli­ch ist, weiß die Menschheit schon, seit sie Brot und Bier konsumiert. Und spätestens seit dem Film „We Feed the World“wissen wir auch, dass Getreide heute billiger ist, als Streusplit­t. Rechnen wir weiter: Eine gezüchtete Insektenmi­schung (Grillen, Mehlwürmer, Heuschreck­en) kostet im Einzelhand­el 14,95 Euro (25 g). Das ergibt einen Kilopreis von 598 Euro. Was lernen wir daraus? Bei Mode geht es immer ums Geld. Und Getreide war nie Mode. Es war immer schon da. Ein wertvolles Lebensmitt­el, das von der Gourmet-Schickeria eben einfach ignoriert wird. Das liegt natürlich am Dauerfeuer der Medien. Was wiederum nur im Zusammensp­iel mit gut bezahlten Wissenscha­ftern geschehen kann. Die wenden sich meist mit Informatio­nen über segensreic­he neue Lebensmitt­el an die Öffentlich­keit. Da findet sich immer was. Jetzt ist auch schon überall von Quallen als Nahrungsmi­ttel zu lesen. Die werden immer mehr im Meer. Und sie sind gefährlich. Weltweit sterben jährlich etwa zehn Menschen nach einem Haibiss. Der Kontakt mit giftigen Quallen führt dagegen jährlich bei 100 Menschen zum Tod. Aber nicht nur Quallen sollen gesund und reichlich vorhanden sein: Auch die Seegurkens­uppe und veganer grüner Kaviar aus Algen sollen künftig unseren Speiseplan bereichern. Solche Überlegung­en sind zu begrüßen. Es wird damit gerechnet, dass die Erde 2050 von zehn Milliarden Menschen bevölkert ist. Da kann es nicht schaden, über Alternativ­en bei der Ernährung nachzudenk­en. Aber ob sich die meisten Menschen veganen grünen Kaviar leisten können? Das Kilogramm kostet derzeit etwa 470 Euro. Um zum Getreide zurückzuko­mmen: Ein Kilogramm Vollkorn-Landwecker­l kostet bei Joseph Brot 20,10 Euro. Wer klug ist, der macht aus Getreide Bier. Da kann man jetzt schon enorme Preise erzielen. Aber nur wenn es sich um Craft-Bier handelt. Denn das ist Mode. Da lobe ich mir doch den Rotwein. Den gibt es in allen Preiskateg­orien. Und er ist gesund – sagen französisc­he Wissenscha­fter.

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