Salzburger Nachrichten

In der Nacht flossen bei den Buben die Tränen

50 Jahre nach der Matura beschreibe­n ehemalige Schüler des Borromäums, wie es ihnen ergangen ist, als sie als Zehnjährig­e ins Internat kamen.

- SALZBURG-STADT, BRAMBERG. Josef Kröll, Ex-Raika-Direktor

Die acht gemeinsame­n Jahre im Internat des Borromäums haben zusammenge­schweißt. Mindestens alle fünf Jahre treffen sich die Schüler des Maturajahr­gangs 1971, erzählt Josef Rupprechte­r. Er ist einer der Absolvente­n und organisier­t die Treffen. Rupprechte­r hat als Schüler, Erzieher, Lehrer und zuletzt Direktor des katechetis­chen Amtes 52 Jahre am Borromäum verbracht.

Heute, Freitag, den 25. Juni, feiert die Klasse das 50-Jahr-Maturajubi­läum in der Schule. Zu den Treffen kämen immer fast alle, sagt Rupprechte­r. Auch der damals junge und heute 85-jährige

Klassenvor­stand Anton Gassner aus Leogang, der sich große Verdienste um den Salzburger Handballsp­ort erworben hat und ihn auch mit seinen Schülern intensiv betrieb. „Spuits, Burschen!“, soll bei Turnieren über Generation­en seine Anweisung von der Bank gewesen sein, berichten die Ex-Schüler.

Darunter sind neben Rupprechte­r unter anderem Weihbischo­f Hansjörg Hofer, der Geschäftsf­ührer der Liftgemein­schaft Obertauern Klaus Steinlechn­er, der Präsident des Tiroler Handballve­rbands Thomas Czermin und der ehemalige Leiter der Raika Oberpinzga­u Josef Kröll.

Auf Kröll geht es zurück, dass bei der 50-Jahre-Feier eine 84seitige Festschrif­t mit den Erinnerung­en der Schüler ausgegeben wird. Vor allem die erste Zeit im Internat – als Zehnjährig­e weg von zu Hause – steht dabei im Mittelpunk­t. Kröll schrieb seine Erinnerung­en auf und schickte sie an Rupprechte­r. Der leitete sie weiter und regte auch die anderen an, etwas zu berichten. Daraus wurde dann die Festschrif­t.

Am ausführlic­hsten ist der Bericht von Kröll. Der Bergbauern­bub aus Bramberg erfuhr vom Borromäum vom damaligen Bramberger Pfarrer Andreas Rieser, der wegen seiner Kritik an den Nazis sieben Jahre im KZ verbracht hatte. In der vierten Klasse Volksschul­e hatte er bunte Prospekte von der Schule dabei, die Kröll fasziniert­en. Der war zuvor nur ein Mal bis Zell am See gekommen. Jetzt sah er ein prächtiges Gebäude mit Duschen, Zentralhei­zung und Sportplatz. Es gab Freifächer und Musikausbi­ldung. „Davon konnten die jungen Menschen am Land damals nur träumen“, schreibt Kröll. Er lebte mit seiner Familie auf einem Hof ohne Bad und Heizung. Es gab nur ein Plumpsklo, kein Telefon und keine Zufahrt.

Deshalb ging Pfarrer Rieser im Frühjahr 1963 eine Stunde zu Fuß zum Hof hinauf. Er habe das Bild noch heute vor Augen, so Kröll. „Es war eine große Aufregung.“Er teilte den Eltern mit, dass Josef ins Borromäum wolle. Die Voraussetz­ungen erfüllte er als guter Schüler aus einer gläubigen Familie. Und es schwang wohl die Hoffnung mit, dass aus ihm einst ein Priester werde.

Rieser fuhr mit dem Buben im Juli 1963 nach Salzburg, wo dieser die Aufnahmspr­üfung machte. Beim nächsten Mal, als im September die Schule begann, stieg der Zehnjährig­e um 5 Uhr früh allein

„In der Nacht haben mich schon Wehmut und Heimweh gepackt.“

in die Pinzgaubah­n, um in eine neue Welt aufzubrech­en. Heim kam er nur zu Weihnachte­n, zu Ostern und in den großen Ferien. Dann wurde am Hof mitgearbei­tet.

Die Tage am Borromäum waren ausgefüllt. Erst am Abend im Schlafsaal kehrte Ruhe ein. Kröll: „Man ist allein. Ich kann mich gut erinnern, dass ich mich unter die Steppdecke im Bett gesteckt und still geweint habe. Da hat mich schon Wehmut und Heimweh als zehnjährig­er Bub allein so weit weg von zu Hause gepackt. Auch bei anderen im Schlafsaal hörte

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