„Mutiger zu Positionen stehen“
Lea Six über mehrheitsfähige Positionen, neue Staatsbürger und Koalitionsoptionen, die die SPÖ nicht braucht.
Lea Six (36) ist Vorsitzende der parteikritischen Sektion 8, die sich als „sozialdemokratische NGO“und gleichzeitig als Teil der SPÖ versteht.
SN: Was muss die SPÖ tun, um wieder Nummer 1 zu werden? Lea Six: Mutiger sein, mutiger zu eigenen Positionen stehen. Die eigenen Mitglieder ernst nehmen und – was sie schon sehr gut macht – sehr forsch gegenüber der ÖVP und den derzeitigen Zuständen auftreten.
SN: Was beeinträchtigt aus Ihrer Sicht die Mehrheitsfähigkeit der SPÖ am stärksten?
Von den Positionen her sind wir absolut mehrheitsfähig. Es gibt eine Mehrheit für vermögensbezogene Steuern, für eine sozialdemokratische Klimapolitik, für höheres Arbeitslosengeld. Die Frage ist, warum man nicht mehr gehört wird.
SN: Und warum wird die SPÖ nicht stärker gehört?
Das ist zum einen die Medienlage: Bei den auflagenstärksten Zeitungen gibt es derzeit einen sehr starken Fokus auf inserategebende Parteien. Zudem war die SPÖ schon einmal um einiges stärker, wenn es darum ging, die Mitglieder zu mobilisieren, zu überzeugen und sie an Stammtische, Freibäder und Kinderpartys zu schicken. Das muss wieder besser werden, dass man stolz und mit Freude die Positionen der Partei im Freundeskreis vertritt.
SN: Karl Schlögl sagt in den SN, dass die SPÖ bei der Migration falsch liege und deshalb nicht mehrheitsfähig sei.
Ich glaube definitiv nicht, dass die SPÖ migrationsfeindlicher werden müsste, um mehrheitsfähig zu werden. Gerade ist mit der Positionierung zu einem neuen Staatsbürgerschaftsrecht ein großer Wurf gelungen. Die Partei hat sich einmal mutig auf eine Position geeinigt, die Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung notwendig macht. Meinungsbildend zu sein ist immer eine Stärke der SPÖ gewesen. Die momentane Schwäche ist eher, dass man es der ÖVP und FPÖ überlässt, Gespenster einer Bedrohungslage an die Wand zu malen, die so nicht da ist. Wenn medialer Fokus und Parteifokus mehr zeigen würden, wer betroffen ist, wäre das eine mehrheitsfähige Position. Man muss zeigen, das sind die Leute, die unsere Alten pflegen, das sind die Kinder, die mit unseren in der Schule sind.
SN: Wäre es nicht strategisch klüger, sich alle Optionen, inklusive FPÖ, offenzuhalten?
Da gibt es klare Beschlüsse. Und es ist auch strategisch nicht klug. Die SPÖ braucht ein Profil gegen rechts. Ich bin auch überzeugt, dass sich eine progressive Mehrheit links der Mitte ausgehen wird. Diese Option brauchen wir gar nicht.
SN: Wie sehr schadet es der SPÖ, dass Parteireform und inhaltliche Neuaufstellung sanft eingeschlafen bzw. total verwässert worden sind?
Es schadet ihr total. Wir von der Sektion 8 haben einen Zehn-PunkteAntrag, der eine erweiterte Parteireform fordert, am Start, der am Bundesparteitag diskutiert wird. So wie es derzeit ist, ist es nicht gut für die Partei. Wir brauchen dringend eine Belebung und Öffnung der Partei.
SN: Wie soll das konkret gehen?
Wir brauchen Mitbestimmung. Unser Antrag fordert eine Mitgliederdirektwahl des Vorsitzes. Wir brauchen Mitgliederentscheide, vor allem brauchen wir eine Urabstimmung über Koalitionsverträge. Es geht auch um mehr Wertschätzung für die Mitglieder. Wir erfahren die Positionen der SPÖ teilweise aus den Medien.