„Nein zu weiterer Zuwanderung“
Die SPÖ mache die richtige Sozialpolitik, aber die falsche Migrationspolitik, findet der einstige Fast-SPÖ-Chef Karl Schlögl.
Die SPÖ versammelt sich am Samstag zum Bundesparteitag, an der Wiederwahl Pamela Rendi-Wagners als Parteichefin besteht kein Zweifel. Kritische Stimmen gibt es mitunter zum Kurs der SPÖ, die sich an ihre Rolle als Oppositionspartei noch nicht richtig gewöhnt hat. Die SN baten zwei Exponenten der Parteiflügel um eine Einschätzung.
Karl Schlögl, damals Innenminister und Exponent des rechten Parteiflügels, und Caspar Einem, damals Wissenschaftsminister und Exponent des linken Parteiflügels, ritterten im Jahr 2000 um den SPÖ-Vorsitz. Doch die Partei entschied sich für Alfred Gusenbauer als neuen Parteichef. Karl Schlögl zog sich aus der Spitzenpolitik zurück und legt bis heute Wert auf die Feststellung, dass er „nicht von der Outlinie hereinkeppeln“wolle. Dennoch hat der 66-Jährige eine dezidierte Meinung zum gegenwärtigen Kurs seiner Partei.
SN: Was muss die SPÖ tun, um wieder Nummer 1 im Land zu werden?
Karl Schlögl: Ich halte ein solches Szenario für absolut realistisch. Allerdings bedarf es dafür gewisser Grundvoraussetzungen.
SN: Welche sind das?
Ich sehe drei wichtige Bereiche. Erstens eine linke, überzeugende Sozialpolitik. Zweitens eine klare, zukunftsorientierte Umweltpolitik. Und drittens eine Politik, die keine Neuzuwanderung nach Österreich zulässt.
SN: Wie weit erfüllt die SPÖ diese drei Voraussetzungen?
In zwei dieser Bereiche sehe ich die SPÖ auf sehr gutem Kurs. In Sachen Migration liegt die SPÖ derzeit hingegen nicht auf der richtigen Linie. Ich denke, dass die SPÖ hier viele Fehler macht. Was ihre Mehrheitsfähigkeit stark beeinträchtigt.
SN: Sie spielen an auf die jüngste Forderung der SPÖ, das Staatsbürgerschaftsrecht zu liberalisieren?
Das ist nur ein Thema unter vielen. Ich halte diese Diskussion für in Ordnung, und man kann hier tatsächlich einiges ändern. Aber man hat mit der Diskussion über das Staatsbürgerschaftsrecht ein Signal gesetzt, das völlig falsch war.
SN: Inwiefern?
In der Bevölkerung wurde der Eindruck hervorgerufen, die SPÖ wolle Einbürgerungen in größerem Maßstab durchführen. Die SPÖ hat den Slogan ausgegeben: Integration statt Neuzuwanderung. Das ist ein alter Hut. Das habe ich bereits, wie Sie nachlesen können, als Innenminister vor mehr als 20 Jahren vertreten. Aber was ist das Ergebnis? In den letzten 20 Jahren ist mindestens eine Million Menschen nach Österreich zugewandert. Das heißt: Wir brauchen keine Neuzuwanderung mehr. Wir müssen die Linie verfolgen, die die dänischen Sozialdemokraten sehr gut vorführen. Also eine klare Begrenzung der Neuzuwanderung, und auch in Sachen Asyl müssen wir einiges überdenken.
SN: Wie sollte ein neues
Asylrecht aussehen?
Es müsste der Grundsatz gelten, dass nur die Menschen nach Österreich kommen, die wirklich Schutz brauchen. Derzeit gibt es sehr viele Menschen, die aus wirtschaftlichen Überlegungen nach Österreich kommen. Wir haben das Problem, dass wir viele von ihnen nicht abschieben können, weil es keine entsprechenden Abkommen gibt oder weil sie staatenlos sind. Man muss also im europäischen Kontext versuchen, eine neue Linie zu finden. Auch Asylzentren außerhalb von Europa halte ich für unbedingt notwendig.
SN: In der Umwelt- und Sozialpolitik halten Sie die SPÖ für richtig positioniert?
Ich denke, dass die SPÖ in der Sozialpolitik, gerade in der jetzigen Krise, klar Position bezogen und vielfach die richtigen Antworten gegeben hat. Und auch die richtigen Vorschläge gemacht hat. In der Umweltpolitik müssen wir hingegen radikaler und fortschrittlicher werden. Wir müssen noch vieles dazu tun, dass auch unsere Kinder und Enkelkinder die Chance haben, in einer lebenswerten Welt zu leben.
SN: In einer Krise wie dieser müsste die SPÖ umfragemäßig viel besser liegen. Warum ist das nicht der Fall?
Weil eben die Migrationsfrage in den letzten Jahren die entscheidende Frage gewesen ist. Und in dieser Hinsicht hat die SPÖ-Führung leider nichts dazugelernt.
SN: Ist Pamela Rendi-Wagner die richtige Person an der Spitze der SPÖ?
Ja! Ich sehe derzeit keine Alternative zu ihr.
SN: Falls es Neuwahlen geben sollte: Was würden Sie Ihrer Partei für die darauf folgenden Regierungsverhandlungen raten?
Ich bin, wie schon in der Vergangenheit, der Meinung, dass die SPÖ zu allen anderen Parteien offen sein muss. Da haben wir derzeit viele bessere Chancen als die ÖVP.
SN: Weil die ÖVP schon mehrere Koalitionspartner verbraucht hat?
Ich denke, dass die SPÖ sowohl zu den Grünen als auch zu den Neos als auch zur ÖVP als auch zur FPÖ eine Gesprächsbasis haben muss. Die ÖVP hat ja bereits die SPÖ und dann die Freiheitlichen aus der Regierung gedrängt. Wenn jetzt auch die Koalition mit den Grünen scheitern sollte, hat die ÖVP nicht mehr viele Optionen. Im Gegensatz zur SPÖ.
SN: Was halten Sie von der auch in der SPÖ ventilierten Idee, dass sich die vier anderen Parteien zusammenschließen, um die ÖVP aus der Regierung zu drängen?
Das hielte ich nicht für richtig. Das darf man nicht machen. Wenn es wirklich dazu kommen sollte, dass diese Regierung stürzt oder zerbricht, muss es Neuwahlen geben. Dann hat man geänderte politische Verhältnisse und kann eine neue Koalition bilden.