16 Jahre an der Macht – was wird von Merkel bleiben?
Der Abgang der Kanzlerin rückt näher. Wie sie Deutschland und Europa prägte und was sie künftig wohl tun wird.
Für Angela Merkel geht die letzte Sitzungswoche im Bundestag zu Ende. Auch ihr Auftritt beim EUGipfel am Freitag wird wohl der letzte gewesen sein, bevor die Kanzlerin im Herbst ihr Amt abgibt – nach 16 Jahren an der Spitze von Europas größter Industrienation.
Deutschland hat sich in dieser Zeit gesellschaftlich modernisiert. Homosexuelle können heiraten, die Wehrpflicht ist Geschichte. Vielen Menschen geht es besser, die Einkommen sind gestiegen, die Arbeitslosigkeit ist – nur durch Corona gebremst – seit 2005 kontinuierlich gesunken. Doch der ökonomische Erfolg ist nicht allein Merkels
Verdienst, sondern auch auf die Arbeitsmarktreform ihres Vorgängers Gerhard Schröder zurückzuführen.
Merkel hat einige politische Krisen durchlebt: von Euro- und Finanzbis Flüchtlings- und Coronakrise. International hat sie sich einen guten Ruf erarbeitet, galt nach der Wahl Donald Trumps als die „letzte Verteidigerin des freien Westens“. Ihre Losung in der Eurokrise („Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“), ihr Drängen, Griechenland mit Milliarden-Hilfspaketen in der Währungsunion zu halten, ihr eigenmächtiges Agieren in der Flüchtlingskrise („Wir schaffen das“), ihr Atomausstieg nach Fukushima: All das hatte Folgen für Europa und Deutschland.
Merkel wird bisweilen politischer Opportunismus unterstellt, ihren Entscheidungen lägen demnach kaum Prinzipien von politischer Überzeugung zugrunde, es gehe ihr vielmehr um den Machterhalt. Als viele Deutsche nach der Ehe für alle riefen, bereitete sie kurzerhand den Weg dafür. Als unter dem Schock von Fukushima viele den Atomausstieg forderten, beschloss sie den Ausstieg aus der Kernenergie.
Durch die „Linksverschiebung“der Union wurden konservative Parteifreunde Merkels zu politisch Heimatlosen, auf dem rechten Flügel entstand eine Lücke, die sich vor allem auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 bemerkbar machte. Die Alternative für
Deutschland stieß in diese vor – die Partei ist nicht nur, aber auch Folge von Merkels Politik.
Zweifelsohne ist es ihr Verdienst, dass sie es in einer Zeit einer weltweit zunehmenden politischen Polarisierung und des Aufstiegs von Populisten geschafft hat, Deutschland als stabilen Anker in Europa zu halten. Auch durch ihr unprätentiöses und pragmatisches Auftreten.
Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass sich Merkel künftig in den Dienst der EU oder der UNO stellt. Bereits 2019 sagte sie, dass sie für kein politisches Amt mehr zur Verfügung stehe – „egal wo es ist, auch nicht in Europa“. Möglicherweise wird die Physikerin als Gastdozentin an Universitäten auftreten.