„Lilli war bei der Geburt ihrer Schwester dabei“
Claudia ist in der Pandemie zum zweiten Mal Mutter geworden. Auch die dreijährige Tochter erlebte die Geburt ihrer Schwester Malia mit.
MATTSEE. Wehen und Geburtsschmerzen, ja, danach kann man sich sehnen. „Meine erste Tochter Lilli ist fünf Wochen zu früh auf die Welt gekommen, per Kaiserschnitt“, erzählt Claudia Brandstötter aus Mattsee. In der 35. Schwangerschaftswoche waren während einer Routineuntersuchung bei ihr eine Schwangerschaftsvergiftung und das Hellp-Syndrom diagnostiziert worden, Zweiteres hätte sich auch lebensbedrohlich für sie entwickeln können. „Ich bin dankbar, dass für meine Tochter und mich alles gut ausgegangen ist. Ich weiß, dass der Kaiserschnitt medizinisch absolut notwendig war. Trotzdem hatte ich danach eine Weile mental zu kämpfen. In der Schwangerschaft habe ich mir die Geburt als etwas sehr Schönes vorgestellt. Nach dem Kaiserschnitt hatte ich aber das Gefühl, den eigentlichen Geburtsakt verpasst zu haben, von der ersten Wehe bis zur Durchtrennung der Nabelschnur“, erzählt die inzwischen zweifache Mama.
Ihrer zweiten Tochter habe sie daher einen anderen, natürlicheren Start ins Leben gewünscht. „Diesmal habe ich mir eine Doula, eine Geburtsbegleiterin, gesucht. Sie hat mich schon in der Schwangerschaft bei allem bestärkt und unterstützt und mir geholfen, in mich selbst hineinzuhören. Sie hat mich auf die Idee gebracht, dass ich auch nach einem Kaiserschnitt nicht unbedingt wieder im Krankenhaus gebären muss.“Vor allem die Coronaauflagen mit eingeschränktem Besuchsrecht des Vaters hätten sie davor abgeschreckt. „Auch meine Doula hätte ich zur Geburt nicht mitnehmen können. Ich wollte eine natürlichere Geburtssituation.“
Im benachbarten Bayern fand sie ein Geburtshaus, das ihren Vorstellungen entsprach. „Die Hebamme, die das Haus führt, war mir auf Anhieb vertraut. Beim ersten Besuch habe ich mich gleich wohlgefühlt und hatte Tränen in den Augen.“
Zwei Wochen vor dem errechneten Termin habe sie ihren Geburtsplan aber noch einmal ändern müssen. „Wir haben unserer Tochter Lilli erklärt, wie das Baby auf die Welt kommt und dass sie, wenn es losgeht, zur Oma darf. Da hat sie sofort losgeweint und gesagt: Ich will auch dabei sein.“Dies habe die Dreijährige auch in den Tagen danach wiederholt. „Auf die Idee, sie mitzunehmen, wären wir nie gekommen. Es ist so eine unhinterfragte Aussage, dass ein Geschwisterkind einen Knacks bekommen könnte, wenn es die Mutter in den Wehen erlebt. Dabei erlebt es auch die Schwangerschaft ganz nah mit. Nur die Geburt ist tabu, als sei sie etwas Unnatürliches.“
Ihre Doula sei begeistert davon gewesen, Lilli die Geburt miterleben zu lassen. „Uns ist klar, dass das nicht für jeden passt und nicht jeder so haben will. Für uns hat es sich gut angefühlt. Wichtig ist, dass es dabei so viele vertraute Menschen gibt, dass sich immer jemand um das Geschwisterkind kümmern kann.“
Zu dritt machten sie sich Ende April nächtens auf den Weg ins Geburtshaus. Dort sei die Situation für alle „außergewöhnlich schön und dennoch so natürlich“gewesen. „Die Doula hat unserer Tochter erklärt, dass die Mama bei der Geburt stark wie eine Löwin sein und vielleicht auch brüllen werde“, erzählt Claudia Brandstötter. Lilli habe fast die ganze Nacht an ihrer Seite verbracht. „Sie hat mit mir getönt, mich getröstet, massiert, dazwischen mit ihrem Papa oder der Doula in einem Buch gelesen.“
Kurz bevor sie in die letzte Geburtsphase eintrat, habe sich ihre Tochter zu ihr gelegt, sie habe sie in den Arm genommen, dabei sei sie eingeschlafen. „Als ihre Schwester auf der Welt war, haben wir Lilli aufgeweckt, damit sie mit ihrem Papa die Nabelschnur durchschneiden konnte. Den Moment des Schlüpfens hat sie sich seither mehrmals auf Video angeschaut. Es ist ein schönes Gefühl, dass sie genau weiß, wo Malia herkommt.“
Für die 38-Jährige hat sich vieles aufgelöst, woran sie seit ihrem ersten Geburtserlebnis zu knabbern hatte. „Ich habe so eine Ehrfurcht vor allen Müttern. Unglaublich, was wir alles schaffen!“Sie fühle sich mehr denn je darin bestärkt, stets in sich hineinzuspüren und sich zu fragen: Was fühlt sich für mich am besten an? „Alle haben mir nach dem Kaiserschnitt gesagt, dass ich ein weiteres Kind nur im Spital auf die Welt bringen kann. Aber ich habe Menschen gefunden, die mich auf meinem Weg, den ich mir gewünscht habe, begleitet haben. Dafür bin ich unendlich dankbar.“