Grün oder nur grün gewaschen?
Nach drei Jahren Verhandlungen steht die Reform der EU-Agrarförderung. Was ihr fehlt, ist der „Green Deal“.
„Was lange währt, wird endlich gut.“Mit diesen Worten feierte Norbert Lins den Abschluss der Verhandlungen zwischen EU-Parlament und Mitgliedsstaaten um die Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP). Was die Zeitspanne betrifft, hat der CDU-Politiker und EU-Abgeordnete auf jeden Fall recht. Rekordverdächtige drei Jahre hat das Ringen um den größten Brocken des EU-Budgets gedauert. Für die letzte Runde waren 16 Stunden nötig.
Ökologischer, gerechter und sozialer sollten die 378,5 Fördermilliarden verteilt werden, die bis 2027 zur Verfügung stehen. Ob das gelungen ist, darüber scheiden sich die Geister.
Geld für Ökoleistungen
Der Großteil der Agrarförderungen wurde bisher als Direktzahlungen nach Hektar oder Stückzahl Vieh in der sogenannten ersten Fördersäule vergeben – in Summe 291,1 Milliarden Euro. Das Geld wurde ohne Bedingungen ausgeschüttet. Nun wird ein Viertel davon an Ökoregeln geknüpft, die die Empfänger zu erfüllen haben.
Das EU-Parlament hatte einen Ökoanteil von 30 Prozent gefordert, die Staaten wollten ursprünglich nur 20 Prozent. Österreichs Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hatte 25 Prozent als Kompromiss vorgeschlagen. Entsprechend zufrieden ist sie nun mit diesem. „Das ist ein großer Erfolg, denn in vielen Mitgliedsstaaten gibt es einen großen Nachholbedarf diesbezüglich.“Erstmals stünden in der ersten Fördersäule 72 Milliarden Euro für Umwelt- und Klimaleistungen bereit.
Die beiden österreichischen EU-Abgeordneten Thomas Waitz (Grüne) und Günther Sidl (SPÖ) sehen das anders: Die Reform sei „ohne wirkliches Bekenntnis zu Klimaschutz und Biodiversität“, sagt Sidl. Waitz spricht von „purem Greenwashing“und einer „Mogelpackung voller Ausnahmeregelungen“.
Nationale Pläne
Anlass zu Kritik bietet etwa die Tatsache, dass die EU-Staaten die Ökoregelungen in nationalen Plänen festschreiben. Was als förderwürdige, grüne Maßnahme gilt, wird teils sehr weit ausgelegt. Außerdem ist es erlaubt, Gelder zwischen den Fördersäulen hin und her zu schieben – also auch von der mit 87,4 Milliarden weit bescheidener ausgestatteten zweiten Säule, auf der die ländliche Entwicklung ruht, in die erste Säule der Direktsubventionen.
Der Start erfolgt erst 2023
Die Reform soll erst ab 2023 gelten, weil die Umstellung der Förderarchitektur und die Bewilligung der nationalen Pläne durch die Kommission Zeit kostet. Im ersten Jahr, also 2023, sollen in einer „Lernphase“nur 20 Prozent Ökoanteil für Direktsubventionen gelten.
Soziale Mindeststandards
Das EU-Parlament hatte mit Blick auf die Arbeitsbedingungen für Erntehelfer und Arbeiter in der Agrarindustrie in vielen Staaten die Koppelung von Fördergeldern an soziale Mindeststandards gefordert. Das soll erst ab 2025 verpflichtend eingeführt werden.
Kein Pestizidverbot
Der Vorschlag der Agrarreform stammt aus dem Frühjahr 2018. Damals war noch die Kommission Juncker im Amt und keine Rede vom „Green Deal“. Daher fehlen dessen Zielsetzungen wie etwa ein Pestizidverbot und Null-Verschmutzung des Erdreichs weitgehend.