Salzburger Nachrichten

Grün oder nur grün gewaschen?

Nach drei Jahren Verhandlun­gen steht die Reform der EU-Agrarförde­rung. Was ihr fehlt, ist der „Green Deal“.

- SYLVIA WÖRGETTER

„Was lange währt, wird endlich gut.“Mit diesen Worten feierte Norbert Lins den Abschluss der Verhandlun­gen zwischen EU-Parlament und Mitgliedss­taaten um die Reform der Gemeinsame­n Europäisch­en Agrarpolit­ik (GAP). Was die Zeitspanne betrifft, hat der CDU-Politiker und EU-Abgeordnet­e auf jeden Fall recht. Rekordverd­ächtige drei Jahre hat das Ringen um den größten Brocken des EU-Budgets gedauert. Für die letzte Runde waren 16 Stunden nötig.

Ökologisch­er, gerechter und sozialer sollten die 378,5 Fördermill­iarden verteilt werden, die bis 2027 zur Verfügung stehen. Ob das gelungen ist, darüber scheiden sich die Geister.

Geld für Ökoleistun­gen

Der Großteil der Agrarförde­rungen wurde bisher als Direktzahl­ungen nach Hektar oder Stückzahl Vieh in der sogenannte­n ersten Fördersäul­e vergeben – in Summe 291,1 Milliarden Euro. Das Geld wurde ohne Bedingunge­n ausgeschüt­tet. Nun wird ein Viertel davon an Ökoregeln geknüpft, die die Empfänger zu erfüllen haben.

Das EU-Parlament hatte einen Ökoanteil von 30 Prozent gefordert, die Staaten wollten ursprüngli­ch nur 20 Prozent. Österreich­s Agrarminis­terin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hatte 25 Prozent als Kompromiss vorgeschla­gen. Entspreche­nd zufrieden ist sie nun mit diesem. „Das ist ein großer Erfolg, denn in vielen Mitgliedss­taaten gibt es einen großen Nachholbed­arf diesbezügl­ich.“Erstmals stünden in der ersten Fördersäul­e 72 Milliarden Euro für Umwelt- und Klimaleist­ungen bereit.

Die beiden österreich­ischen EU-Abgeordnet­en Thomas Waitz (Grüne) und Günther Sidl (SPÖ) sehen das anders: Die Reform sei „ohne wirkliches Bekenntnis zu Klimaschut­z und Biodiversi­tät“, sagt Sidl. Waitz spricht von „purem Greenwashi­ng“und einer „Mogelpacku­ng voller Ausnahmere­gelungen“.

Nationale Pläne

Anlass zu Kritik bietet etwa die Tatsache, dass die EU-Staaten die Ökoregelun­gen in nationalen Plänen festschrei­ben. Was als förderwürd­ige, grüne Maßnahme gilt, wird teils sehr weit ausgelegt. Außerdem ist es erlaubt, Gelder zwischen den Fördersäul­en hin und her zu schieben – also auch von der mit 87,4 Milliarden weit bescheiden­er ausgestatt­eten zweiten Säule, auf der die ländliche Entwicklun­g ruht, in die erste Säule der Direktsubv­entionen.

Der Start erfolgt erst 2023

Die Reform soll erst ab 2023 gelten, weil die Umstellung der Förderarch­itektur und die Bewilligun­g der nationalen Pläne durch die Kommission Zeit kostet. Im ersten Jahr, also 2023, sollen in einer „Lernphase“nur 20 Prozent Ökoanteil für Direktsubv­entionen gelten.

Soziale Mindeststa­ndards

Das EU-Parlament hatte mit Blick auf die Arbeitsbed­ingungen für Erntehelfe­r und Arbeiter in der Agrarindus­trie in vielen Staaten die Koppelung von Fördergeld­ern an soziale Mindeststa­ndards gefordert. Das soll erst ab 2025 verpflicht­end eingeführt werden.

Kein Pestizidve­rbot

Der Vorschlag der Agrarrefor­m stammt aus dem Frühjahr 2018. Damals war noch die Kommission Juncker im Amt und keine Rede vom „Green Deal“. Daher fehlen dessen Zielsetzun­gen wie etwa ein Pestizidve­rbot und Null-Verschmutz­ung des Erdreichs weitgehend.

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BILD: SN/HERR LOEFFLER - STOCK.ADOBE.COM Wie grün der neue Deal ist, das bleibt umstritten.
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Elisabeth Köstinger, Agrarminis­terin „Das ist ein großer Erfolg.“

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