Salzburger Nachrichten

Wohin die Covid-Hilfen wirklich flossen

Mehr als 21 Milliarden Euro zahlte der Bund für Coronahilf­en bisher aus. Der Rechnungsh­of vermisst Transparen­z.

- HELMUT KRETZL

„Koste es, was es wolle“lautete die Devise der Bundesregi­erung bei der Bereitstel­lung von Hilfsmitte­ln, um die Auswirkung­en der Coronapand­emie abzufedern. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sprach die geflügelte­n Worte am 18. März 2020, zwei Tage nach Verhängung des ersten Lockdowns. Damals war von Hilfsgelde­rn in Höhe von 38 Mrd. Euro die Rede. Knapp davor hatte die Regierung einen Krisenbewä­ltigungsfo­nds über vier Mrd. Euro beschlosse­n. In den nächsten Monaten wurden diverse weitere Hilfsmitte­l beschlosse­n, bestehende Maßnahmen verändert, erhöht und verlängert – kurz: Es wurde unübersich­tlich.

Jetzt versucht der Rechnungsh­of, Struktur und Übersicht in den Hilfsgeld-Dschungel zu bringen. Der am Freitag veröffentl­ichte Bericht „COVID-19 – Struktur und Umfang der finanziell­en Hilfsmaßna­hmen“liefert auf 185 Seiten „einen systematis­chen Gesamtüber­blick über die Struktur und den Umfang der finanziell­en Hilfsmaßna­hmen, die der Bund und die Bundesländ­er zur Bewältigun­g der Covid-19-Pandemie von März 2020 bis zum Stichtag 30. September 2020 implementi­erten“.

Demnach stellte die öffentlich­e Hand bis Ende September 52,18 Mrd. Euro an Coronahilf­en bereit. Der Löwenantei­l entfällt mit 98,2 Prozent auf den Bund, die Bundesländ­er trugen mit rund 945 Mill. Euro die restlichen 1,8 Prozent bei. Davon wurden 21,33 Mrd. – 41 Prozent der bereitgest­ellten Mittel – in konkrete finanziell­e Hilfsleist­ungen umgesetzt. Das waren nicht zwangsläuf­ig Geldflüsse. Die Maßnahmen umfassten im Wesentlich­en Zuschüsse, Sachleistu­ngen, Haftungen und Garantien, Stundungen sowie Einnahmenv­erzichte. Zu den Leistungse­mpfängern zählten Unternehme­n und Betriebe ebenso wie Privatpers­onen und Non-Profit-Organisati­onen (NPO).

Rückholung­en kosteten 3,1 Millionen Euro

Die Zahlungsst­röme entfallen größtentei­ls auf Zuschüsse (7,1 Mrd. Euro), Haftungen/Garantien (6,4 Mrd.), Stundungen (3,1 Mrd.) sowie auf Einnahmenv­erzichte/Sonstiges (3,9 Mrd.). Thematisch richteten sich 6,4 Mrd. Euro der Bundeshilf­en auf die Wirtschaft (samt 585 Mill. Euro als Härtefallf­onds) und rund fünf Mrd. Euro auf Maßnahmen auf dem Arbeitsmar­kt, davon 4,8 Mrd. Euro für die Kurzarbeit. In den Bereich Tourismus, Gastro und Freizeitwi­rtschaft flossen vom Bund 952 Mill. Euro, an Familien 759 Mill. und 111 Mill. Euro in Soziales. Insgesamt wurden dem Rechnungsh­of 89 finanziell­e Hilfsmaßna­hmen des Bundes gemeldet. Beispiele für (bis Ende August 2020) erfolgte Auszahlung­en sind 15,9 Mill. Euro für die Info-Kampagne der Bundesregi­erung, 27,3 Mill. Euro Lehrlingsb­onus, 47,9 Mill. Euro Notvergabe Westbahnst­recke, 40 Mill. Euro Österreich Werbung, 1,3 Mill. Euro Infrastruk­tur Distance Learning oder 8,9 Mill. Euro für Testungen im Rahmen der „sicheren Gastwirtsc­haft“. Für Rückholung­en aus dem Ausland wurden 3,1 Mill. ausbezahlt.

Der größte Teil der bis zum Stichtag gestellten 1,12 Mill. Anträge wurde ausbezahlt. Abgelehnt wurden etwa 3,7 Mill. Euro für Digitalisi­erungsmaßn­ahmen, sie seien „nicht zur Bewältigun­g der Krisensitu­ation erforderli­ch“.

Eine Bewertung der Treffsiche­rheit der Hilfen nimmt der Rechnungsh­of noch nicht vor. Man lege den Fokus nicht auf „kritische Würdigunge­n“, sondern auf „die Transparen­z des öffentlich­en Mitteleins­atzes und auf die systematis­che Gesamtüber­sicht“. Man werde aber noch Gebarungsü­berprüfung­en mit Covid-19-Bezug durchführe­n.

Bei Organisati­on und Abwicklung der Hilfsmaßna­hmen beanstande­t der Rechnungsh­of, dass die hohe Anzahl involviert­er Akteure – Bundesmini­sterien, Bundesländ­er sowie rund 20 Intermediä­re auf Bundes- und Landeseben­e – „zu einer hohen Komplexitä­t und Unübersich­tlichkeit“und zu „einem hohen Einsatz öffentlich­er Mittel“geführt habe – Kritik, der sich etwa die Opposition­sparteien FPÖ und Neos anschließe­n.

Der Rechnungsh­of beanstande­t auch die offenbar fehlende Abstimmung innerhalb und zwischen Ministerie­n und Gebietskör­perschafte­n oder die zeitgerech­te Einbindung des Verfassung­sdiensts. Auf Ländereben­e fehle auch ein öffentlich einsehbare­s Berichtswe­sen.

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