„Die Ungleichheiten sind verstärkt worden“Eine Psychologin der Studierendenberatung über die Coronakrise
Studierende, die psychische Unterstützung brauchen, können sich an die Psychologische Studierendenberatung wenden. Im letzten Jahr war dies aufgrund der Coronakrise besonders oft der Fall. Die SN sprachen mit der Psychotherapeutin Manon Massoth-Göschl.
SN: Wie war das vergangene Jahr für die psychologische Studierendenunterstützung?
Manon Massoth-Göschl: Wir hatten sehr viel zu tun. Wir hatten vor der Pandemie schon einen Personalmangel, von der Klientenzahl her hätten wir das Doppelte arbeiten können. Der Zulauf an Studenten war sehr hoch.
SN: Mit welchen Herausforderungen waren Studierende konfrontiert?
Was allgemein für Studierende weggebrochen ist, ist die Struktur. Sich selbst einen Zeitplan zu machen und dann bewusst nicht den ganzen Tag zu lernen, aber gleichzeitig nicht den ganzen Tag nichts zu tun ist für manche Studierende sehr schwer. Für die Erstsemestrigen ist außerdem die „Ankommensphase“weggefallen. Die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, gab es praktisch nicht.
SN: Einerseits heißt es, die Situation sei sehr schwierig, andererseits ist die Prüfungsaktivität sogar gestiegen.
Die Ungleichheiten sind verstärkt worden. Es gab immer schon eine Gruppe, der es psychisch schlecht ging. Denen ist es noch schlechter gegangen. Dann gibt es Studierende, die es immer ohne Unterstützung geschafft haben. Denen ist es durch die Pandemie teils schlechter gegangen und sie sind immer wieder mit unspezifischen Symptomen gekommen. Schlafstörungen zum Beispiel. Oder das Essverhalten hat sich auffällig geändert. Und dann gibt es Studierende, die nie ein Problem hatten, die auch jetzt keines haben und die teils sogar mehr Prüfungen machten.
SN: Was empfehlen Sie Studierenden, denen die Motivation in all diesen Coronamonaten abhandengekommen ist?
Ich würde mir überlegen: Wie war es denn früher? Wenn ich vorher eine gute Struktur gehabt habe, könnte ich überlegen, wie ich sie mir jetzt selbst erarbeiten kann. Mit den Studienkolleginnen und Studienkollegen, wenn auch online, in Kontakt zu bleiben und den Anschluss nicht zu verlieren kann helfen. Damit man sich auch nicht so verlassen oder allein fühlt.
Zur Person: Manon Massoth-Göschl ist Psychologin und Psychotherapeutin. Sie arbeitet bei der Psychologischen Studierendenberatung in Wien. Constanze Kreuzberger