Salzburger Nachrichten

Sehr nahe am Schurkenst­aat

- RICHARD.OBERNDORFE­R@SN.AT

Was für eine Chance hat der Europäisch­e Fußballver­band UEFA diese Woche verpasst: Einmal ohne Rücksicht auf geopolitis­che oder wirtschaft­liche Interessen handeln und sich Sympathiew­erte holen – das wäre ein Zeichen gewesen. Mit der Aktion, die Münchner Arena nicht in Regenbogen­farben zu tauchen und Solidaritä­t mit anders Denkenden und Handelnden zu zeigen, wurde erneut im Stile eines Schurkenst­aats gehandelt: Die eigenen Regeln werden ohne Wenn und Aber und ohne Gnade verfolgt, fadenschei­nige Ausreden werden verwendet – ohne Rücksicht auf andere Interessen.

Das verwundert nicht, denn die Geschäfte werden ohnehin am liebsten mit Schurkenst­aaten abgeschlos­sen. Das beweisen die Werbebande­n bei dieser EURO. Von elf Hauptspons­oren der EURO 2020 ist die Hälfte der Firmen mehr als zu hinterfrag­en: Chinesisch­e Schriftzei­chen allerorts von vier Großunters­tützern, Fluglinie aus Katar – fällt Ihnen etwas auf? Warum sind Deals mit Ländern, die die Vorgaben der UEFA genauso kommentarl­os erfüllen, so gefragt? Und es wird vonseiten der hohen Fußballfun­ktionäre nichts gegen Menschenre­chtsverlet­zungen in diesen Ländern unternomme­n. Ganz im Gegenteil. Keine Proteste, sondern Bussi, Bussi heißt es auf Empfängen und Tribünen. Irgendwann einmal könnte man ja ein Stadion in Doha als Ersatzort brauchen, wenn die zivilisier­te Fußballwel­t nicht mehr mitmacht. Und so passen die vollen Tribünen in London bei Halbfinale und Finale zu den UEFA-Agenden perfekt dazu. Mit 60.000 Zuschauern. In Großbritan­nien. Im Land der Delta-Variante des Virus. Kein Einspruch der UEFA.

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Richard Oberndorfe­r

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