Huckepack spart viel CO2
Lieferwagen und Lkw werden in einem Korb auf Bahnwaggons verladen. Das spart viele Tonnen CO2. Die Innovation gelang Logistikspezialisten aus Salzburg.
Was mit leeren Lieferwagen vor fünf Jahren begonnen hat, könnte sich schon bald zu ganzen Zügen voll Frischgemüse, die auf der Schiene anstatt auf der Straße durch Spanien rollen, weiterentwickeln. Der Salzburger Logistikunternehmer Franz Blum, der sich mit seiner Firma Vega auf die Überstellung fabrikneuer Lastwagen von den Herstellern zu den Kunden spezialisiert hat, ist überzeugt: „Wir können wegen des Klimawandels nicht darauf warten, bis einmal emissionsfreie Wasserstoff-Lkw fahren.“
Für Blum ist die Rechnung einfach: Jeder Lastwagen stoße auf einer Fahrt über 1000 Kilometer ungefähr eine Tonne des Treibhausgases Kohlendioxid aus. Gehe man von einer guten Auslastung eines Lkw aus, könne man durch die Verlagerung auf die Bahn 200 Tonnen Einsparung pro Jahr erzielen.
Die traditionellen Konzepte, wie Lkw auf der Bahn transportiert werden („Rollende Landstraße“, Rola) sind aber sehr schwerfällig und umständlich. Noch dazu sind die Fahrer während der Bahnfahrt zum Nichtstun verurteilt, was den Frächtern nicht gefällt. Bei der Rola werden die Lastwagen einzeln hintereinander in Bahnterminals auf die Waggons gefahren. Am Zielort dauert es entsprechend lang, bis die ersten, die hinaufgefahren sind, wieder vom Schienenfahrzeug runterkommen.
Gemeinsam mit Reinhard Bamberger, einem Schulfreund, der sich im Eisenbahngeschäft bestens auskennt, entwickelte Franz Blum in den vergangenen fünf Jahren ein anderes Modell zur Verknüpfung von Straßen- und Bahntransport: das Modell „roadrailLink“(oder abgekürzt R2L). Dabei fahren die Lkw nicht auf einen Waggon, sondern die Anhänger kommen auf eine Stahlkonstruktion, die als Adapter dient. Das kann man sich vorstellen wie eine große Pfanne oder einen Korb. Damit können sie per Stapler oder Kran auf den Bahnwaggon gehoben werden. Denn normalerweise sind Lkw-Anhänger oder Lieferwagen nicht „kranbar“, wie es in der Logistik-Fachsprache heißt. Der Anteil der kranbaren Trailer beträgt fünf Prozent, Tendenz fallend, bei insgesamt fast zwei Mill. Trailern in Europa.
Die Adapter baut die Firma Kässbohrer in Eugendorf, die auf Lkw-Aufbauten spezialisiert ist. Die Innovation im Transportwesen mit dem Ziel der CO2-Einsparung zur Klimaschonung kommt also zur Gänze aus Salzburg. Das Geschäftsmodell ist so aufgebaut, dass die derzeit 400 Adapter vermietet und parallel ganze Züge gechartert werden. Die Auslastung muss stimmen, damit es sich rechnet. Derzeit fahren mit dem R2L-System bereits sechs Züge pro Woche in der Lkw-Logistik quer durch Europa – zum Beispiel zwei Mal wöchentlich zwischen Polen und Norditalien für Volkswagen, ebenso zwischen Triest und Wörth (Großraum Karlsruhe) für Mercedes. Die Verbindung zwischen Süddeutschland und dem Adriahafen befördert allein rund 10.000 Lastwagen pro Jahr.
Nach fünf Jahren stellt Blum zufrieden fest: „Das Modell wurde am Markt verstanden.“Mit einem der führenden Waggonvermieter in Europa, der Hamburger Firma VTG, die fast 100.000 Güterwaggons unterhält, hat Vega einen Rahmenvertrag abgeschlossen. Im Herbst will Franz Blum sein Konzept bei einer großen Veranstaltung zum Thema CO2-Einsparung in Frankfurt präsentieren – vor Unternehmen, die große Warenmengen auf die Reise schicken. Denn je größer die Volumina und die Entfernung, desto interessanter wird die Bahn im Vergleich zum Lkw.
Die Rollen sind beim „roadrailLink“klar verteilt: Franz Blum ist der Visionär und trägt mit Vega das Investitionsrisiko. Bisher flossen laut Blum rund 30 Mill. Euro in das Konzept. Reinhard Bamberger – der inzwischen Vorstand der Frachtbahn des Unternehmers Hans Peter Haselsteiner ist – ist der Eisenbahnfachmann und Kässbohrer bringt die Ingenieurkompetenz ein.
Apropos Vision: Blum will in den nächsten beiden Jahren erreichen, dass in der Wintersaison, wenn es nur Frischgemüse aus Marokko gibt, dieses per Bahn durch Spanien transportiert wird. Blum: „Ich habe mir das in der Region Murcia in Südspanien angeschaut. In der Saison werden dort täglich 5000 Lkw beladen.“Jeder fahre mehr als 2000 km bis Mitteleuropa, weiter nach Norden sind es rasch über 3000 km.
Reinhard Bamberger, der früher Vorstand der ÖBB-Güterverkehrstochter Rail Cargo war, sagt: „Das Vega-Konzept ist keine theoretische Innovation, sondern erfolgreich im Markt angekommen und hat das Potenzial, die Rollende Landstraße abzulösen.“
Günther Percht, Geschäftsführer beim Lkw-Ausrüster Kässbohrer in Eugendorf: „Das war eine visionäre Idee von Blum, nicht ausgelastete Kapazitäten auf die Bahn zu verlagern. Wir sind der technische Partner dabei. Die CO2-Besteuerung wird dem Thema einen Schub verleihen. Derzeit ist das Geschäft mit den Tragrahmen noch eine kleine bis mittlere Nische, die wir aber weiter gerne ausfüllen.“
Die Logistiker aus Salzburg zeigen vor, was etwa der Verkehrsclub Österreich
(VCÖ) seit Langem fordert – mehr Transporte von der Straße auf die Schiene. Tatsächlich verliert allerdings die Bahn im Gütertransport seit 2010 Marktanteile an den Lkw-Transport in Österreich. Billige Dieselpreise verschärften das Problem. Wurden 2018 noch 105 Mill. Tonnen Güter mit der Bahn befördert, waren es im Coronajahr nur noch 97,5 Mill. Tonnen. Michael Schwendinger vom VCÖ: „Die direkten und indirekten CO2-Emissionen des Lkw-Transports sind pro Tonnenkilometer 25 Mal so hoch wie jene der Bahn. Deshalb ist die Verlagerung auf die Schiene zentral auf dem Weg zum Klimaziel.“Der Verkehrsexperte betont, die verladende Wirtschaft brauche auch stärkere Anreize und Unterstützung, um Lkw-Transporte auf die Bahn zu verlagern. „Der Transport mit Ganzzügen ist wettbewerbsfähig, kommt allerdings nur für sehr große Unternehmen und Speditionen infrage.“Für Firmen ohne Bahnanschluss, die kleinere Mengen transportierten, brauche es zusätzlich eine finanzielle
Unterstützung.