Die Lage ist eine gute
ICHbin ein Freund der Sprache. Das ist wenig erstaunlich. Wäre ich das nicht, hätte ich nicht Journalist gelernt, sondern Installateur, Tischler oder Fliesenleger und würde jetzt viel Geld verdienen.
Früher hatten wir in der Zeitung eine Sprachpolizei. Das war ein zum ätzenden Spott neigender älterer Kollege, der uns Jungen die Stilblüten austrieb.
Zurzeit ist es meine Lieblingskulturredakteurin, die ein verlässliches Augenmerk auf das Deutsche legt. Das hat Tradition. Als „Negativwachstum“in den Wirtschaftsredaktionen modern war, war es sie, die unverdrossen darauf hinwies, dass negatives Wachstum sprachlich gesehen in etwa so verblödet ist wie ein zwergenhafter Riese.
Ich stand, unter uns gesagt, einmal im Ruf, ein Sprachmörder zu sein, was eine glatte Unterstellung eines Chefs vom Dienst war, denn ich mordete die Sprache keineswegs, ich entwickelte sie fort. Nur wollten das manche nicht sehen.
Und dann gibt es die Politik, Quell sprachlicher Virtuosität. Sie reicht von Kalauern, die zu nationaler Folklore werden, wie Walter Meischbergers „Wo woar mei Leistung?“, bis zu unsterblichen Sätzen wie John F. Kennedys „Ich bin ein Berliner“. Weniger dauerhaft, aber doch zäh, behauptete sich das poetische „Am Ende des Tages“, das auf Alfred Gusenbauer zurückgeht, der für die SPÖ Kanzler war. In die Kategorie fällt auch „Es ist alles so kompliziert“von Fred Sinowatz, einem der Vorgänger Gusenbauers, oder die großartige Schöpfung „situationselastisch“eines längst vergessenen Verteidigungsministers.
Nun verblüfft vor allem die türkise Riege unter Sebastian Kurz. „Die Lage ist eine sehr, sehr gute“, meinte er kürzlich. Das ist zwar erfreulich, doch sagte man bislang simpel: „Die Lage ist sehr, sehr gut.“Das aber ist offenbar nicht ausdrucksstark genug, reicht nicht, genügt nicht, daher nun anders.
In Regierungskreisen, von Amts wegen gewichtig, wird das neue Wording, wie es so schön heißt, gerne aufgegriffen. „Der Kaffee ist ein heißer“, wird im Gang gemurmelt, „das Schnitzel ist ein schmackhaftes“, in der Kantine gelobt. Natürlich ist das Budget ein ausgeglichenes, oder fast, die Umfragen ein Erfreuliches und die Staatsanwälte ein Schreckliches. Aber, das nur als Einschub, schreibt man das jetzt wirklich groß? Der Sommer jedenfalls wird ein sehr, sehr schöner, was eh klar ist.
Da fällt mir ein Zitat von Alan Greenspan ein, dem langjährigen Chef der US-Notenbank und als solcher dem Orakel von Delphi nicht unähnlich. „Wenn Sie das Gefühl haben, mich verstanden zu haben, muss ich mich unklar ausgedrückt haben“, soll er einmal gemeint haben. Dieser Satz ist ein klarer.