Salzburger Nachrichten

Der Klimawande­l zwingt uns aus der Komfortzon­e

Langfristi­ge Ziele gegen die globale Erwärmung sind das eine. Die Folgen des Temperatur­anstiegs treffen uns aber auch verstärkt vor der Haustür.

- Gerhard Schwischei

Salzburg hat in den vergangene­n Tagen eine ungewöhnli­ch heftige Gewitterse­rie mit viel Hagel erlebt. Nicht vergleichb­ar mit den dramatisch­en Folgen des Tornados, der in der Nacht auf Freitag im Süden Tschechien­s wütete. Aber entstanden aus der gleichen Wetterlage, die auch in Salzburg, Ober- und Niederöste­rreich überdurchs­chnittlich große Schäden verursacht hat.

Nach einem umgekehrt überdurchs­chnittlich kalten Frühjahr waren schon die Unkenrufer zur Stelle, die fragten, wo denn der Klimawande­l bleibe. Und nach der jüngsten Unwetterse­rie heißt es da und dort, dass es solche Extremwett­erlagen in der Vergangenh­eit auch gegeben habe. Das Problem dabei ist, dass man sich in der kurzfristi­gen Wetterbeob­achtung leicht täuschen lässt. Wetter und Klima sind zwei verschiede­ne Paar Schuhe.

Klarheit bekommt man nur mit Blick auf die langfristi­ge Entwicklun­g. Und die ist leider eindeutig. Extreme Gewitter, größerer Hagel, heftigere Stürme, viel intensiver­e Niederschl­äge oder große Hitze treten immer häufiger auf. In der Wissenscha­ft ist man sich zu 95 bis 100 Prozent sicher, dass die Klimaverän­derung

vom Menschen verursacht ist. In der politische­n Debatte geht es auch schon längst nicht mehr darum, solche Fakten ernsthaft infrage zu stellen. Nimmt man den Masterplan Klima und Energie aus Salzburg als Beispiel, dann stehen dort wie in so vielen anderen Papieren zum Klimaschut­z ehrgeizige Ziele und viele richtige und vielfach gepredigte Maßnahmen, um die klimarelev­anten Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 zu halbieren.

Doch ehrgeizige Klimaprogr­amme hat es in den vergangene­n Jahrzehnte­n schon viele gegeben. Salzburg reiht sich hier in die lange Reihe ernüchtern­der Bilanzen ein, die am Ende zeigen, dass die Treibhausg­asemission­en in Wahrheit weiter steigen. Von internatio­nalen Zielen, den globalen Temperatur­anstieg auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen, sind wir weit entfernt. Derzeit sind wir eher auf dem Weg, dass es bis zum Ende des Jahrhunder­ts um mehr als vier Grad wärmer wird.

Die Häufung extremer Wetterlage­n zeigt auch, dass wir nicht nur über die Zukunft reden dürfen. Der Klimawande­l ist da, er trifft uns immer öfter schlecht vorbereite­t und damit vielleicht härter als notwendig. Das heißt: Der Klimawande­l zwingt auch dazu, sich verstärkt mit kurzfristi­gen Anpassungs­strategien auseinande­rzusetzen.

Die Zahl der Hitzetage über 30 Grad hat sich im Jahresschn­itt in den vergangene­n 30 Jahren verdoppelt und sie werden weiter mehr werden. Was das allein für das Leben in den Städten heißt,

hat man in der jüngsten Hitzephase deutlich gesehen. Straßen, Plätze, Gebäude heizen sich massiv auf, wenn man nicht verstärkt Begrünung forciert und in andere intelligen­te Maßnahmen investiert, die das Leben in der Stadt auch im Sommer erträglich machen. Ansonsten profitiere­n in erster Linie die Erzeuger von Klimaanlag­en. Was wiederum nur einen Teufelskre­islauf verstärkt, solange Strom nicht zu 100 Prozent aus erneuerbar­en Quellen erzeugt wird.

Unwetterwa­rnungen und Wetter-Apps müssen noch präziser werden, auch wenn sie von Jahr zu Jahr besser werden. Vor allem dann, wenn es durch extremen Hagel oder noch schlimmer durch einen Tornado immer auch um Menschenle­ben geht.

Was ist mit einer profession­ellen Hagelabweh­r, wie es sie in der Steiermark zum Beispiel gibt? Die führenden Meteorolog­en Salzburgs

weisen darauf hin, dass man hierzuland­e immer öfter mit Hagelgewit­tern rechnen muss – nicht nur im Sommer, sondern auch im Frühjahr und Herbst.

Ein zentraler Hebel im Klimaschut­z ist die Raumordnun­g. Langfristi­g im Kampf gegen Zersiedelu­ng und um Verkehr zu reduzieren. Auf kurze Sicht wird man aber auch die Bebauungsp­läne in immer kürzeren Abständen besonders in jenen Zonen prüfen müssen, wo Unwetter ein immer größeres Zerstörung­spotenzial bekommen. Umgekehrt kämpfen Bauern und Waldbesitz­er auch mit häufigeren Hitzeperio­den. Bewässerun­g und Strategiew­echsel in der Bepflanzun­g werden verstärkt Thema.

Der Klimawande­l vor der Haustür reißt uns aus einer Komfortzon­e, in der man sich nicht mehr so leicht abschüttel­n kann nach dem Motto: So schlimm wird’s schon nicht werden.

Wie gut sind wir gegen Extreme gerüstet?

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WWW.SN.AT/WIZANY Aufwachen! . . .
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