Heute ist morgen schon gestern
Mit dem ID.4 definiert Volkswagen das neue Gardemaß für elektrische SUVs. Im Praxistest beweist das größere ID.-Modell, dass die E-Mobilität im Alltag angekommen ist.
Manchmal kann es so schnell gehen. Gefühlt sind erst wenige Wochen vergangen, seit über die Erfolgschancen der Elektroautos noch leidenschaftlichst im Bekanntenkreis diskutiert wurde. Und nun hat man ein vollelektrisches SUV vor der Haustür stehen, dessen technische Perfektion uns allen bereits derart normal vorkommt, dass sich die wenigsten Passanten danach umdrehen.
Zugegeben: Es ist natürlich nicht nur der Verdienst des Big Players aus Wolfsburg, dass der Siegeszug des vollelektrischen Antriebs mittlerweile kaum noch aufzuhalten sein wird. Dennoch verdienen Konsequenz und Vehemenz, mit welchen man beim größten Autobauer Europas binnen kürzester Zeit das Steuer herumgerissen hat, größten Respekt. Unter diesem Gesichtspunkt muss man vermutlich auch die kleinen Kinderkrankheiten bewerten, die vor allem bei der Software der ID.-Baureihen noch immer zu beklagen sind. Als Vertreter der Generation iPhone ist man es einfach nicht mehr gewohnt, länger als ein, zwei Sekunden darauf zu warten, dass ein Touchscreen auf eine Berührung reagiert. Und dass sich ein Autoradio einfach während der Fahrt aufhängt, war beim analogen Blaupunkt im alten Käfer auch noch kein Thema.
Doch nun Schluss mit dem Lamentieren, ein Konzern, der den Dieselskandal überlebt hat, wird es auch schaffen, ein paar läppische Software-Bugs zu beheben.
Neben dem ID.3 als programmatischem Golf-Nachfolger ist der ID.4 also für all die Tiguan-Fahrer gedacht, für die Reichweitenangst kein Thema mehr ist. Wobei Letztere wohl ein ebenso schlagkräftiges Argument für den stattlicheren der beiden ID.-Modelle sein dürfte wie der faktische Größenunterschied. Gemessen am Preis bekommt man mit dem ID.4 doch noch ein Stück mehr Auto fürs Geld als beim ID.3. Neben dem faktischen Plus an Stauraum (nur 80 Liter fehlen auf den Tiguan) ist es vor allem das subjektive Raumgefühl, das den ID.4 eine Klasse höher wirken lässt. Ein weiterer Pluspunkt ist die spürbar bessere Verarbeitungsqualität. Und last but not least könnte auch das alles in allem etwas stimmigere Außendesign den Ausschlag geben.
Was die Fahrleistungen angeht, ist die 204 PS starke Topmotorisierung in Kombination mit dem größtmöglichen Akku über jede Kritik erhaben. Einmal eingestiegen, kommen angesichts von Verbrauch und Beschleunigung selbst die hartnäckigsten Diesel-Verteidiger ins Wanken. Von den theoretisch möglichen 510 Kilometern Reichweite bleiben in der Praxis je nach Fahrweise zwischen 300 und 350 Kilometer übrig. Das reicht im Alltag, um einigermaßen sorgenfrei zwischen Wien und Salzburg zu pendeln, solang man die einschlägigen Schnellladestationen unterwegs nicht scheut. Beim normalen Pendeln zwischen Büro und Zuhause ist das leidige Ladethema ohnehin bereits nach wenigen Tagen völlig aus dem Bewusstsein verschwunden.
Und so kommt es, dass der einzige Nachteil des ID.4 in der eigenen Verwandtschaft zu suchen ist. Denn mit dem Enyaq hat man bei der Schwestermarke Škoda ein mindestens ebenso attraktives Angebot in petto.